Online-Befragung der AOK
Sind DiGA nur ein nettes Gimmick?
Ein fester Teil der Versorgung? Nach etwas mehr als zwei Jahren App auf Rezept hat die AOK Nutzerinnen und Nutzer befragt – mit durchaus gemischten Ergebnissen. Viele halten die verordneten digitalen Gesundheitsanwendungen für verzichtbar.
Veröffentlicht:Nutzerinnen und Nutzer schätzen digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zwar positiv ein, für unerlässlich halten sie diese Apps auf Rezept aber nicht. So gab etwa die Hälfte der Teilnehmer einer bundesweiten Online-Befragung von mehr als 2600 AOK-Versicherten an, dass DiGA für sie verzichtbar seien.
Mit 58 Prozent bewerteten etwas mehr als die Hälfte der Befragten die Nutzung von DiGA als sinnvolle Ergänzung zu ihrer Therapie. Als größten Vorteil nannten sie, dass sie sich die Behandlung mit einer DiGA zeitlich flexibel einteilen können (70 Prozent).
Immerhin 40 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Anwendung geholfen habe, ihre Erkrankung besser in den Griff zu bekommen. Allerdings setzten die Befragten die digitalen Anwendungen eher selten zur Überbrückung von Wartezeiten bis zum Beginn einer Therapie ein (15 Prozent). Nur bei DiGA zur Behandlung von psychischen Erkrankungen war das mit 21 Prozent etwas häufiger der Fall.
DiGA nicht immer die bessere Wahl
„Trotz der insgesamt recht hohen Zufriedenheit mit den Apps auf Rezept sehen wir in den Ergebnissen eine gewisse Zurückhaltung bei der Einschätzung des erlebten Nutzens“, sagt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann.
So bezeichnen nur 26 Prozent der Befragten die verschriebene DiGA als für sie „unverzichtbar“, auf gut die Hälfte der Teilnehmenden trifft diese Aussage „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ zu. Auch in Bezug auf die Weiterempfehlung zeigen sich die Nutzerinnen und Nutzer reserviert: Nur 38 Prozent der Befragten würden Freunden oder Bekannten mit vergleichbarer Diagnose die genutzte DiGA sehr wahrscheinlich weiterempfehlen.
Digitale Gesundheitsanwendungen
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Knapp ein Fünftel der Befragten hatte Probleme bei der Umsetzung der digitalen Therapieinhalte, weitere 28 Prozent gaben an, sie hätten teilweise Probleme damit gehabt. Für immerhin 15 Prozent der Versicherten passten die Inhalte nicht zu ihrer individuellen Krankheitssituation.
„Die Ergebnisse spiegeln wider, dass die genutzten DiGA nicht immer dem Bedarf und den Bedürfnissen der Versicherten entsprechen. Herkömmliche Therapien vor Ort wie beispielsweise die Physiotherapie bei Rückenbeschwerden sind in vielen Fällen die bessere Wahl – und verursachen für die Beitragszahlenden weniger Kosten als eine DiGA-Verordnung“, so AOK-Vorständin Reimann. Der durchschnittliche Preis je DiGA liegt bei etwa 500 Euro für eine 90-tägige Nutzung.
Meist eine ärztliche Empfehlung
Die befragten Versicherten sind ganz überwiegend (in 68 Prozent der Fälle) von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin auf die Möglichkeit der DiGA-Verschreibung hingewiesen worden. Ein knappes Drittel wurde durch eigene Recherche, Werbung oder Empfehlungen Dritter darauf aufmerksam. „Bei der Integration der DiGA in die ärztliche Behandlung zeigen die Befragungs-Ergebnisse noch Verbesserungspotenzial“, sagt Reimann.
So wurde mehr als ein Drittel der Befragten (37 Prozent) nicht über die Funktionen der genutzten DiGA informiert. Obwohl mit 94 Prozent die überwiegende Mehrheit angab, die Anwendung durch ein Rezept des Arztes oder Therapeuten erhalten zu haben, haben nur 38 Prozent ihr Nutzungsverhalten und die Resultate der DiGA-Anwendung mit ihrem Arzt oder Therapeuten besprochen.
Die befragten Versicherten nutzten die Apps auf Rezept vorwiegend über einen längeren Zeitraum. Fünf Prozent der Befragten gaben aber auch an, ihre DiGA nur wenige Tage bis zu einer Woche genutzt zu haben. Bei Menschen, die sich zuvor als wenig digital affin beschrieben oder einen schlechten Gesundheitszustand angegeben hatten, war dies häufiger der Fall: So erklärten etwa zwölf Prozent der Befragten mit schlechtem Gesundheitszustand, die verschriebene Anwendung nur wenige Tage bis zu einer Woche genutzt zu haben.
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Fast jeder Vierte (23 Prozent) gab an, die DiGA kürzer als vorgesehen genutzt zu haben. In der Gruppe der Befragten mit schlechtem Gesundheitszustand traf dies sogar auf 30 Prozent zu. „Die GKV muss in diesen Fällen den vollen Preis für die Anwendungen bezahlen, obwohl die Versicherten sie nicht voll nutzen und die Therapie vorzeitig abbrechen. Sinnvoll wäre daher die verpflichtende Einführung von Test-Zeiträumen, in denen die Anwendung vor der eigentlichen Verordnung ausprobiert werden kann“, so Reimann.
Ziel der Befragung war es, zwei Jahre nach der Aufnahme der DiGA in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung die Akzeptanz und das tatsächliche Nutzungsverhalten zu evaluieren. Dafür befragte das Marktforschungs-Institut „Produkt + Markt“ vom 24. September bis zum 24. Oktober vorigen Jahres 2624 von insgesamt 20.879 per Post angeschriebenen AOK-Versicherten.
Aktuell 40 Anwendungen gelistet
Diese Versicherten hatten zwei bis zwölf Monate vor der Befragung von der AOK einen Freischaltcode zur Aktivierung einer Digitalen Gesundheitsanwendung erhalten und eingelöst, nachdem sie zuvor eine entsprechende ärztliche Verordnung erhalten oder die DiGA selbst bei der Krankenkasse beantragt hatten.
Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 49 Jahren, 68 Prozent der Befragten waren Frauen. Die Angaben der Befragten zu den verordneten Apps auf Rezept entsprechen dem Ranking der bisher am häufigsten verordneten und am längsten verordnungsfähigen DiGA: Am häufigsten wurden die Adipositas-DiGA „zanadio“, die Tinnitus-Anwendung „Kalmeda“, die Rücken-DiGA „Vivira“, die Depressions-Anwendung „deprexis“, die Anwendung „somnio“ gegen Schlafstörungen sowie die inzwischen nicht mehr im DiGA-Verzeichnis enthaltene Migräne-Anwendung „M-Sense“ genannt.
Seit September 2020 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf eine Versorgung mit DiGA. Grundlage dafür ist das im Dezember 2019 in Kraft getretene Digitale-Versorgung-Gesetz. Aktuell sind im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 40 Anwendungen gelistet, die bei bestimmten Erkrankungen ärztlich verordnet oder direkt bei der Krankenkasse beantragt werden können. Von September 2020 bis Dezember 2022 haben die elf AOKs DiGA im Wert von 21,7 Millionen Euro genehmigt.
Der Kurzbericht zu den Ergebnissen der DiGA-Nutzerbefragung zum Download: www.aok-bv.de