Drei Fragen an Professor Busse
„Verkehrssicherheit ist echte gelebte Prävention“
Nachgefragt bei Professor Reinhard Busse, Schirmherr unserer Initiative „Gesundheitsvorsorge der Zukunft“.
Veröffentlicht:In der GKV macht Prävention drei Prozent der Ausgaben aus. Viel zu wenig, oder?
Wir geben in der GKV so wenig für Prävention aus, weil wir so wenig Evidenz über deren Nutzen haben. Bei manchen dieser Leistungen wissen wir gar nicht, ob sie wirken. Präventionsleistungen müssen aber den gleichen Forderungen unterliegen wie all die anderen GKV-Leistungen, nämlich dem Wirksamkeitsnachweis und dem Wirtschaftlichkeitsgebot.
Bei Arzneimitteln zum Beispiel haben Sie die Hersteller, die ein Interesse daran haben, die nötige Evidenz bei zu bringen, um dann entsprechende Preise mit den Kassen aushandeln.
Bei Leistungen in der Gesundheitsvorsorge ist das leider nicht so. Schauen Sie auf das Feld der Ernährung: Da ist die Lebensmittelhersteller-Lobby so einflussreich, dass in Fertigprodukten nach wie vor zu viel Salz enthalten ist und wir keine verpflichtende Lebensmittelkennzeichnung haben, Stichwort Nährwertampel.
Um Prävention voranzutreiben, braucht es staatliche Förderung für Forschung, die deren Nutzen ermittelt. Da muss dringend mehr Geld reingesteckt werden. Das ließe sich übrigens sehr leicht über den Innovationsfonds tun.
Ist es nicht töricht, Gesundheitsvorsorge nur im Gesundheitswesen zu denken?
Absolut! Schauen Sie auf das Paradox: Obwohl die Leute immer länger leben, unterm Strich die Bevölkerung sogar gesünder ist als früher, haben wir immer mehr kurative Leistungen. Das ist doch pervers. Unser Problem ist, dass wir Gesundheitsvorsorge nicht systematisch genug angehen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Verkehrssicherheit. Die ist echte gelebte Prävention. Jeder nicht im Straßenverkehr Verletzte ist ein vermiedener Fall fürs Gesundheitswesen.
Oder die Ernährung bei Kindern: Wenn die in jungen Jahren adipös sind, brauchen sie als Erwachsene Gesundheitsleistungen. Die Akteure im Gesundheitswesen müssen viel mehr die anderen Politikressorts in die Pflicht nehmen.
Health-in-All-Policies ist das Stichwort. Was kann unsere Initiative beitragen?
Wir wollen allen Beteiligten, vor allem in der Politik klarmachen, dass Gesundheitsaspekte auch in anderen Ministerien als nur im Hause von Herrn Spahn mitgedacht werden muss.
Wir wollen zeigen, dass häufig die Maßnahmen die erfolgreichsten sind, die von der Bevölkerung gar nicht als reine Gesundheitsvorsorge wahrgenommen werden.
Siehe das Jod im Salz. Dabei denkt auch keiner an Struma und trotzdem wirkt es. Oder der Trimm-dich-Pfad: Wer quält sich schon gerne freiwillig darauf? Wirksamer ist allemal eine Verkehrspolitik, die das Radfahren zur Arbeit fördert.
Und last but not least die Luftverschmutzung, ein kaum zu leugnendes Gesundheitsproblem. Doch hierzulande wurde in der Dieseldebatte ganz schnell vor allem über Arbeitsplätze in der Autoindustrie debattiert. Das müssen wir ändern.