Kooperation | In Kooperation mit: Roche Pharma AG

Datenräume für klinische Studien

Wie Forschung digital unterstützt werden kann

Gesundheitsdatenräume sind keine Erfindung der EU. An vielen Stellen entstehen derzeit entsprechende Strukturen. Bei der Konferenz „Public Health and Data Sharing“ wurden Beispiele zusammengetragen.

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Wie Forschung digital unterstützt werden kann

© ljubaphoto / Getty Images / iStock

Troels Mortensen, CEO von DataFair Denmark, berichtete über das dänische OSCAR-Projekt, ein (Zitat) „One-Stop-Shop“ für klinische Forschung. Das dänische Gesundheitssystem biete gute Voraussetzungen für digitale klinische Forschung, so Mortensen. Es gebe eine eindeutige Identifizierungsnummer für alle Bürgerinnen und Bürger, mit der sich unterschiedliche Datenquellen, inklusive nicht-klinischer Datenquellen, verknüpfen ließen. Und es gebe ein hohes Vertrauen in die öffentlichen Institutionen, wodurch auch Kooperationsprojekte dieser öffentlichen Einrichtungen mit privaten Unternehmen erleichtert würden.

Das dänische Gesundheitswesen, digital gespiegelt

OSCAR ist ein solches Kooperationsprojekt: Einer der Partner ist das Unternehmen Roche, und in einem Beratungsgremium sind viele weitere Pharmaunternehmen vertreten. Seitens des Gesundheitswesens ist die dänische Health Data Agency dabei, die den forschenden Zugriff auf Versorgungsdaten von einem erheblichen Teil der dänischen Bevölkerung organisiert, unter anderem als Verantwortliche für rund 140 klinische Register. Auch die oberste dänische Statistikbehörde ist an Bord.

Herzstück von OSCAR, so Mortensen, sei eine neue Pseudonymisierungs-Technologie, bei der Daten gewissermaßen nahezu anonymisiert werden, sodass eine sehr weitgehende, aber gleichzeitig sehr datensichere Analytik möglich wird. Diese Analysen – auch deswegen interessiert sich das dänische Gesundheitswesen stark für das Projekt – sollen unter anderem dazu verwendet werden, Effektivität und Effizienz von Therapien in der realen Versorgungswirklichkeit zu evaluieren, als Grundlage für Pay-for-Performance-Modelle in der Arzneimittelversorgung.

Erstes Pilotprojekt im Bereich Krebsversorgung startet

Daten für eine ergebnisabhängige Bezahlung von Therapien zu liefern, ist eine von drei Prioritäten der OSCAR Plattform. Darüber hinaus soll OSCAR Eingangstor für viele andere Forschungsprojekte sein, beispielsweise Versorgungsforschungsprojekte, die exakte Daten zur Prävalenz auf Bevölkerungsebene liefern oder die sich damit beschäftigen, wie sich Patienten bei unterschiedlichen Indikationen durchs Gesundheitswesen bewegen und wovon die Patientenentscheidungen abhängen. Ein Pilotprojekt in diesem Bereich ist das Copenhagen Master Observatory Trial (C-MOT). Es will bei nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom und fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs die Frage beantworten, wie Patientinnen und Patienten bei unterschiedlichen, evidenzbasierten Therapien in der realen Versorgung abschneiden.

Dazu werden dreißig Monate lang von allen Studienteilnehmern Patient-Reported-Outcomes (PRO) digital erhoben und an die Plattform übermittelt. Alle Tumore sind zudem komplett genomsequenziert. So soll erkennbar werden, wie gut die Therapietreue bei unterschiedlichen Behandlungen ist und ob Verläufe in bisher nicht bekannter Weise mit bestimmten Biomarkern korrelieren. Die Stärke von OSCAR sei vor allem, dass derartige Abfragen für komplette Populationen quasi innerhalb weniger Minuten erfolgen könnten, so Mortensen.

Bald künstliche Kontrollgruppen für klinische Studien?

Ein drittes Fokusthema von OSCAR ist die Frage, inwieweit der umfangreiche Datenpool genutzt werden kann, um artifizielle Kontrollgruppen für klinische Studien zu bilden. Da OSCAR die Regelversorgung in hoher Auflösung abbildet, so die Überlegung, könnte datenbankbasierte Vergleichsgruppen gebildet werden, die die Standardversorgung repräsentieren. Gelänge das und würde es von den Zulassungsbehörden akzeptiert, dann würde Dänemark voraussichtlich zu einem ziemlich attraktiven Standort für klinische Studien.

Vivli: Eine globale Forschungsplattform für Daten aus klinischen Studien

Ein Datenraumprojekt mit einem etwas anderen Fokus koordiniert der Vivli Center for Global Clinical Research in den USA. Es handele sich um eine Non-Profit-Organisation, erläuterte Julie Wood, Senior Director bei Vivli. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Daten klinischer Studien zugänglich zu machen und bietet dazu eine digitale Plattform an, bei der Forscherinnen und Forscher Daten aus den Studien abfragen können, die dann – wenn der Antrag durch die jeweiligen Dateneigner positiv beschieden wird – innerhalb der Plattform sicher und datenschutzkonform analysiert werden können.

Die Organisation Vivli hat mittlerweile 43 Mitglieder, darunter akademische Institute und mehrere pharmazeutische Unternehmen. Bisher werden die Daten von annähernd 7000 klinischen Studien zur Verfügung gestellt. Eine der Anforderungen an Wissenschaftler, die mit den Daten arbeiten wollen, ist, dass die Ergebnisse der Analysen anderen zugänglich gemacht werden müssen. Die besondere Stärke von Vivli sei, dass die Plattform eine Brücke schlagen könne zwischen unterschiedlichen Datenquellen, betonte Wood. So können auf der Plattform beispielweise unterschiedliche Institute zusammenarbeiten und ihre Studiendaten mit denen anderer Organisationen verknüpfen. Wood hatte eine klare Empfehlung für alle parat, die klinische Forschung machen wollen: „Bevor Sie starten, brauchen Sie einen Plan, wie Sie die Daten zugänglich machen wollen. Das macht vieles einfacher, und Studiensponsoren fragen danach auch zunehmend.“

Das Deutsche Humane Genom-Phenom Archiv

Ein weiterer Datenraum, der die Brücke zwischen Forschung und Versorgung schlagen möchte, ist das Deutsche Humane Genom-Phenom Archiv (GHGA), das Prof. Dr. Oliver Stegle vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Europäischen Molekularbiologie-Labor (EMBL) vorstellte. Das GHGA ist Teil der Nationalen Forschungsdateninfrastrukur (nfdi) und fokussiert auf genomische Daten aus Medizin und Forschung. Neun Universitäten und sechs Helmholtz-Zentren sind derzeit beteiligt.

Das GHGA ist ein Beispiel für ein nationales, stark themenfokussiertes Gesundheitsdatenökosystem, das Teil eines größeren Ganzen ist. Es baut auf dem schon zuvor existierenden European Genome-Phenome Archive (EGA), das bisher zentral am EMBL koordiniert wurde und das jetzt in eine föderale, europaweite Struktur überführt werden soll. Die erinnert nicht zufällig an die Pläne der EU-Kommission für den EHDS: Eine Vielzahl nationaler Knoten soll genomische Informationen im europäischen Kontext für grenzüberschreitende Abfragen zugänglich machen. Ziel sei, am Ende einen Datensatz mit über einer Million Genom-Phenom-Daten EU-weit der Forschung und der Versorgung zur Verfügung stellen zu können, so Stegle.

WAYFIND-R: Ein globales Tumorregister

Über ein weiteres Beispiel für Data Sharing berichtete schließlich Dr. Julia Wagle, Country Medical Director Roche Pharma Deutschland. Die WAYFIND-R Initiative ist ein globales Tumorregister, in das bis 2026 insgesamt 15000 Patienten eingeschlossen werden sollen, die an beliebigen (soliden) Tumoren leiden und bei denen eine vollumfängliche molekulare Testung vorliegt. Ziel ist, die Behandlungspfade von der Erstdiagnose bis zum Behandlungsergebnis nachzuzeichnen, die Daten für Forscher für eigene Forschungsfragen zur Verfügung zu stellen und über ein Dashboard für Kliniker zu visualisieren.

Wagle sieht solche und andere Initiativen als kleine und Vorhaben wie den Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) als große Bausteine für ein Gebäude namens „lernendes Gesundheitswesen“. In diesem Gebäude würden Daten nicht nur zweckgebunden erhoben, sondern breit genutzt mit dem Ziel, die Versorgung zu verbessern, klinische Studien zu ermöglichen und Therapien und Behandlungskonzepte weiterzuentwickeln.


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