IM GESPRÄCH
Kakerlaken können viele Erreger übertragen und Allergien auslösen
Sie finden immer einen Weg. Durch Abwasser- und Fernwärmeleitungen, Entlüftungs- und Müllschächte, Ritzen und Hohlräume - Schaben, auch Kakerlaken genannt, sind sehr bewegliche und hartnäckige Tiere.
Besonders die niedersächsische Gemeinde Damme und das brandenburgische Städtchen Bernau können momentan davon ein Lied singen. Zu Hunderttausenden kriechen und krabbeln die Schaben dort in Wohnblocks, Viehställen, Heizkraftwerken und Firmengebäuden - und verursachen immense Schäden. "In Damme ist jede fünfte von insgesamt 1500 Wohnungen und Betriebsstätten von den Schaben befallen", so Vize-Bürgermeister Gerd Muhle. Der Leiter des Kreisgesundheitsamtes, Hanns Rüdiger Röttgers, spricht von der höchsten Schabendichte in ganz Westeuropa.
Futtersuche in Kloaken, Mülleimern und Schlachtabfällen
In Deutschland gehören Schaben zu den unangenehmsten Plagegeistern. "Wegen ihrer Lebensweise sind sie gefährliche Krankheitsüberträger", erklärt Jutta Klasen, beim Umweltbundesamt für die Prüfung von Schädlingsbekämpfungsmitteln zuständig. Schaben können viele Bakterien, Viren und Pilze übertragen, so das Deutsche Grüne Kreuz. Kontakt mit ihnen kann zu Durchfall, Dickdarmkathar, Hepatitis A, Milzbrand, Salmonellen oder Tuberkulose führen. Durch Häutungsreste können sie zudem Allergien auslösen. In ländlichen Gebieten sind Schaben vor allem gefürchtet, weil sie in Ställen die Maul- und Klauenseuche auslösen können.
"Schaben mögen besonders warme und feuchte Orte, wo es ausreichend Nahrung gibt", erklärt Jutta Klasen. Die Allesfresser werden in Kloaken, Mülleimern, Schlachtabfällen oder Großküchen fündig und schleppen so jede Menge Keime und Bakterien mit sich herum. Klasen: "Da sie zudem aus ihrem Kropf regelmäßig kleine Krümelchen erbrechen, sind sie ein hoch potenter Verteiler von Infektionen."
Michael Faulde kümmert sich als medizinischer Entomologe vom Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen um die hygienischen Bedingungen vor Ort und kennt die Risiken nur zu gut: "Besonders gefährlich ist der sorglose Umgang mit infizierten organischen Materialien wie Krankenhausabfall, Urin, Fäkalien, faulenden Nahrungsmittelresten und Kadavern." Daß Schaben Ursache von vielen Salmonelleninfektionen in Krankenhäusern oder Großküchen sind, steht für Faulde fest.
Wie hoch genau die Kosten für Befall, Bekämpfung und Beseitigung sind, läßt sich zwar nicht genau beziffern, "aber es wird leicht unterschätzt", sagt Rainer Gsell, Vorsitzender des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbandes. Wenn die Fachleute mit Giftspritze und Klebefallen ausrücken, werden sie in etwa einem Drittel der Fälle wegen Kakerlaken gerufen. "Weltweit wird schätzungsweise ein Drittel der Nahrungsmittelproduktion durch Schädlinge vernichtet. Dabei trifft es hoch industrialisierte Staaten wie die USA genauso wie Entwicklungsländer", sagt Gsell.
In Damme vermutet man als Ursache für die Schaben-Plage den "sehr warmen Sommer 2003", wie Bürgermeister Muhle sagt. "Möglicherweise aber sind die Tiere bereits gegen manche Gifte immun geworden", vermutet Jutta Klasen. Im benachbarten Landkreis Osnabrück etwa wurden solche Resistenzen bereits gemeldet.
Schaben zählen zu den ältesten Arten
Schaben oder Kakerlaken gehören zu den ältesten Tierarten auf der Erde. Die ältesten Vorläufer der Insekten existierten bereits vor 350 Millionen Jahren und haben sich bis heute nicht nennenswert verändert. Schaben erreichen je nach Art eine Körperlänge zwischen zwei Millimetern und zehn Zentimetern. Die größten Exemplare gibt es auf dem amerikanischem Kontinent. Die meisten Arten haben eine schwarze oder bräunliche Färbung. Schädlinge in Deutschland sind vor allem zwei Arten: die bis zu 13 Millimeter große deutsche Schabe (Blatella germanica) und die bis zu drei Zentimeter große orientalische Schabe (Blatella orientalis), die auch als Küchenschabe bekannt ist. (ddp)