Große Unzufriedenheit
Keine Flucht aus der Pflege in NRW – doch oft fehlt Wertschätzung
Gute und schlechte Nachrichten hält eine neue Pflegestudie aus NRW bereit: Die Verweildauer im Beruf ist höher als oft angenommen – doch nur ein Drittel der Befragten hält die Arbeitsbedingungen für gut.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Für eine Flucht aus der Pflege gibt es in Nordrhein-Westfalen zurzeit keine Belege. Nach einer aktuellen Studie im Auftrag des Landesgesundheitsministeriums steigt im bevölkerungsreichsten Bundesland die Zahl der versicherungspflichtig beschäftigten Pflegekräfte seit 2013.
Die Verweildauer im Beruf ist demnach hoch. Allerdings ist nur die Hälfte der Pflegekräfte mit dem Beruf zufrieden und nur gut ein Drittel mit den aktuellen Arbeitsbedingungen.
Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) in Köln hatte von November 2020 bis Januar 2022 Daten zur Pflege ausgewertet und Pflegeschülerinnen und -schüler, Pflegende im Beruf sowie Träger von ambulanten und stationären Einrichtungen befragt.
Höchststand an Beschäftigten
Nach der Erhebung gab es im Juni 2021 in NRW mit 84.520 qualifizierten Altenpflegenden und 189.876 Pflegekräften in der Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege einen Höchststand an Beschäftigten in der professionellen Pflege. Die dip-Forscher unter Leitung von Professor Michael Isfort konnten keine Pandemie-bedingte Abnahme feststellen.
Aktuelle Daten über einen möglichen Wechsel zwischen den Pflegesektoren liegen nicht vor. „Damit kann eine sektorenbezogene Wanderung von Pflegenden im Zuge der Pandemie weder bestätigt noch ausgeschlossen werden“, heißt es in der Studie. Das gelte auch für eine mögliche Reduzierung der Tätigkeit.
Im Juni 2021 hatte die Hälfte der Pflegenden in der Gesundheits- und der (Kinder-)Krankenpflege seit mehr als 18 Jahren in der Pflege gearbeitet, in der Altenpflege waren es mehr als 13 Jahre. Der Wert steigt nach Angaben des dip weiter.
„Eine kurze Beschäftigungsdauer der Pflegekräfte in ihrem Beruf lässt sich für Nordrhein-Westfalen nicht bestätigen“, fasste Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Studienergebnisse zusammen. „Der Großteil der Pflegenden bleibt ihrem so wichtigen Beruf treu.“
Nur die Hälfte ist zufrieden
Die Studie zeige aber auch, wie wichtig gute Arbeitsbedingungen sind, betonte Laumann. In der Befragung hatten lediglich 49,2 Prozent der beruflich Pflegenden angegeben, mit ihrem Beruf tendenziell zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Die Arbeitsbedingungen, unter denen sie tätig sind, bewerten nur 34,9 Prozent positiv. 32 Prozent sind mit ihrem Gehalt zufrieden oder sehr zufrieden.
Dabei schneiden die Arbeitsbedingungen bei den Beschäftigten in der Altenpflege besser ab als bei ihren Kollegen in der Gesundheits-, der Kranken- und der Kinderkrankenpflege. Insgesamt haben 49,3 Prozent eine Verschlechterung der Wertschätzung durch ihre Arbeitgeber registriert, 65,5 Prozent eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wahrgenommen. Dabei könnte eine Rolle spielen, dass die Erhebung während der Corona-Pandemie stattfand.
Minister Laumann sprach von „alarmierenden Belegen“. Er sieht die Arbeitgeber der Branche in der Pflicht, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. „Gute Arbeitsbedingungen sind nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung für die geleistete Arbeit der Pflegenden, sondern für alle Beteiligten eine Motivation, auch weiterhin in dem Tätigkeitsfeld zu arbeiten“, sagte er.
Pflegeschlüssel ist harter Indikator
Nach der Befragung ist für die Pflegekräfte der Personalschlüssel der wichtigste Aspekt für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Ihn nannten 91,1 Prozent. Es folgen die Arbeit in einem guten Team (89,6 Prozent) und die gute Einarbeitung (87,1 Prozent).
Für Pflegeschülerinnen und -schüler im dritten Ausbildungsjahr sind die gute Einarbeitung, die Realisierung des gewünschten Stellenumfangs und ein angemessener Arbeitslohn die wichtigsten Kriterien.
Die Beschäftigung von Pflegenden aus Drittstaaten hat nach der Studie seit 2013 stetig zugenommen, liegt aber nach wie vor auf einem niedrigen Niveau. In NRW wurden von 2013 bis 2021 insgesamt 9815 entsprechende Zulassungen für die Gesundheits- und die (Kinder-)Krankenpflege erteilt, in der Altenpflege waren es 4322. Die wichtigsten Herkunftsländer sind die Philippinen und Serbien.