Als Arbeitsschutz noch ein Fremdwort war

Zu Beginn der Industrialisierung interessierte sich keiner für die Sicherheit in Fabriken. Seit 125 Jahren schützt die Unfallversicherung Arbeiter vor Lohnausfall bei Krankheit.

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Hält das Material der Atemschutzmaske den Flammen stand? Eine der vielen Prüfungen im Institut für Arbeitsschutz der Unfallversicherung.

Hält das Material der Atemschutzmaske den Flammen stand? Eine der vielen Prüfungen im Institut für Arbeitsschutz der Unfallversicherung.

© DGUV

Beginn des 19. Jahrhunderts: Rasant verändert die Industrialisierung das ehemals landwirtschaftlich geprägte Deutschland. Fabriken schießen förmlich aus dem Boden. Einerseits bieten sie neue Arbeitsplätze - gleichzeitig verändern sie aber auch die bestehende Sozialordnung: Immer mehr Menschen verdingen sich als Fabrik-Arbeiter. Dort haben sie zunächst kaum Rechte: Die Löhne sind niedrig, die Arbeitszeiten lang, die Bedingungen katastrophal.

In Folge dieser schlechten, ungesicherten Arbeitsbedingungen erreicht die Zahl der Arbeitsunfälle schwindelerregende Höhen. Die wenigen "Fabrikinspektoren" - Vorgänger der Gewerbeaufsicht - , die es seit 1854 gibt, können den Mängeln kaum Einhalt gebieten.

Erleidet ein Arbeiter einen Unfall, hat er keinerlei Absicherung: Auf ihn warten oft nur noch Kündigung und Armut. Auch das 1871 erlassene Haftpflichtgesetz für Unternehmer ändert daran wenig.

Die Lebensbedingungen einer rasch wachsenden Arbeiterschaft werden zur beherrschenden sozialen Frage der Zeit. Reichskanzler Otto von Bismarck ist sich des Handlungsbedarfs wohl bewusst, er favorisierte eine öffentlich-rechtliche Unfallversicherung, die den Betroffenen unabhängig von der Verschuldensfrage entschädigt.

Bismarck erhofft sich davon politischen Gewinn, "gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" sucht er nach einem Mittel, die soziale Frage zu entspannen. In nur sechs Jahren, von 1883 bis 1889 legt der Reichstag mit drei neuen Gesetzen den Grundstein für die moderne Sozialversicherung: die Kranken-, die Unfall- und die Rentenversicherung.

Die Unfallversicherung hat die großen Zeiten der Geschichte zwischen Weimarer Republik, Drittes Reich und auch in Ansätzen in der DDR überlebt. 1971 wurde in West-Deutschland zusätzlich eine Schülerunfallversicherung eingeführt. Seither genießen auch alle Schüler, Studenten, Hort- und Kindergartenkinder Versicherungsschutz bei Unfällen, die ihnen in ihrer Bildungsstätte oder auf dem Weg dorthin zustoßen. Im Übrigen sind bei den Unfallkassen viele im öffentlichen Interesse selbstlos tätige Personen versichert, zum Beispiel Lebensretter und - unter bestimmten Voraussetzungen - auch ehrenamtlich Tätige. Nach der Wiedervereinigung wird 1996 der Präventionsauftrag der Unfallversicherung noch einmal erweitert. Er umfasst jetzt zusätzlich zu der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten auch die Abwehr arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren - wie Rückenleiden oder psychische Belastungen. Heute führt das Institut für Arbeitsschutz zusätzlich auch Prüfungen von Arbeitsmaterialen durch. (eb)

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