Ukraine-Krise
Dämpfer für den Medizintourismus in Deutschland
Kliniken in Deutschland verdienen gut an Medizintouristen. Die Ukraine-Krise und ihre Folgen schlagen jetzt allerdings durch - bis in die Kassen deutscher Krankenhäuser.
Veröffentlicht:BERLIN/MOSKAU. "Es gibt Leute, die für die Behandlung in Deutschland ihre Wohnung verkaufen", sagt Irina Parulava. Sie holt Patienten aus Russland an Kliniken im ganzen Bundesgebiet.
"Aber das sind dann natürlich Leute, die eine zweite Wohnung haben", fügt die Betreuerin hinzu, die an diesem Tag drei Kunden an der Deutschen Klinik für Diagnostik (DKD) in Wiesbaden begleitet.
Russland ist das wichtigste Quellland für den Medizintourismus in Deutschland. Doch einige russische Patienten hätten nun ihre Termine abgesagt, erzählt Parulava.
Die Rubel-Krise mache es selbst der wohlhabenden russischen Mittelschicht schwerer, deutsche Ärzte zu bezahlen.
Das bekommen die Krankenhäuser zu spüren, die an Auslandspatienten sonst gut verdienen. "Wir wissen von den Kliniken, dass sie es merken", sagt Jens Juszczak, der führende Experte für Medizintourismus in Deutschland.
Die meisten kommen aus Russland
Er forscht an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und berät Krankenhäuser bei ihrem Geschäft mit Patienten aus dem Ausland.
Nach den aktuellsten Zahlen, die der Wirtschaftswissenschaftler zusammengetragen hat, ließen sich 2013 mehr als 97.000 Patienten aus 177 Ländern stationär und rund 144.000 ambulant in Deutschland behandeln.
Das bedeutet Juszczak zufolge ein Zuwachs von 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bereits 2012 war mit 224.000 Patienten (plus 8,6 Prozent) eine hohe Zuwachsrate im Vergleich zu 2011 zu verzeichnen (wir berichteten).
Fast 11.000 Menschen aus Russland kamen 2013 laut Statistischem Bundesamt zur Behandlung nach Deutschland. Aus den anderen GUS-Staaten waren es noch einmal mehr als 3000.
Die Zahlen von 2014 liegen noch nicht vor. Dennoch: Juszczak ist sich sicher, dass sich im vergangenen Jahr wegen der Ukraine-Krise weniger russische Patienten an deutschen Kliniken behandeln ließen.
Aufgrund der Sanktionen gegen Moskau kommen Russen nicht mehr so einfach an ihr Geld im Ausland ran, wie der Ökonom sagt. Und der Rubel ist weniger wert - nicht nur in Euro-Ländern.
Auch Schweizer Franken sind für Russen deutlich teurer geworden. "Ich habe auch Aussagen mitbekommen, dass die deutsche Politik in diesem Konflikt nicht besonders begrüßt wird - und die Leute deshalb lieber in die Schweiz gehen als nach Deutschland", ergänzt Juszczak.
Das sieht die Marketingleiterin der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) in Moskau, Alla Belikova, anders: "Aufgrund der Rubelentwertung sehen wir einen Rückgang, aber die Patienten gehen nicht in die Schweiz, sondern verzichten vielmehr auf nicht akute Behandlungen."
Unschlagbares Image?
Von der Politik werde die Entscheidung nicht beeinflusst. "Das Image Deutschlands als das Land mit Leistungsmedizin ist unschlagbar", propagiert Belikova.
Ein Klinikverband, der um Auslandspatienten wirbt und die Folgen des Konflikts mit Russland um die Ukraine spürt, ist das Medical Network Hessen.
Es kämen signifikant weniger russische Medizintouristen nach Hessen, berichtet Vorstandsmitglied Burkhard Bigalke.
Zwar steigen immer mehr deutsche Kliniken in das Geschäft mit Auslandspatienten ein. Doch noch spielen Juszczak zufolge nur rund zehn bis zwölf Prozent der Kliniken eine nennenswerte Rolle.
Wie lukrativ das Geschäft für die einzelnen Häuser ist, lässt sich nur schätzen. Insgesamt fast 1,2 Milliarden Euro setzten deutsche Kliniken 2013 mit Medizintouristen um, vermutet Juszczak.
"Das ist aber extrem konservativ geschätzt", sagt der Ökonom. Für die wenigen aktiv am Markt beteiligten Kliniken geht es also um reichlich Geld.
Geld, das auch dank Vermittlerinnen wie Parulava in die Kassen kommt. Von ihrem guten Leumund in Russland profitiert unter anderem die DKD in Wiesbaden.
Die Begleitung der Patienten stellt Parulava der Klinik in Rechnung. Diese reicht die Kosten an die Kunden weiter.
Die Kliniken müssen die Patienten allerdings erst einmal für sich gewinnen. Im Januar zum Beispiel reiste Bigalke mit drei Ärzten von der Uniklinik Marburg und einer Homburger Privatklinik nach Oman zu einer internationalen Medizinmesse.
Dorthin kommen vor allem auch Patienten. Einige Kliniken schicken auch Vertreter in Talkshows oder schalten Werbung in den Zielländern. "Da wird schon gekämpft", sagt Juszczak.