Der Teddy kommt mit Beinbruch in die Klinik
Fällt ein Teddy aus dem Bett, braucht er eine ausreichende Versorgung. Medizinstudenten der Uni Göttingen behandeln jedes Jahr Kuscheltiere, die mit Bauchschmerzen, Husten oder Brüchen eingeliefert werden. So wollen sie Kindern die Angst vor dem Arztbesuch nehmen.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. Normalerweise beschäftigen sich die Medizinstudenten der Universität Göttingen mit dem Körper und den Krankheiten des Homo sapiens. Einmal im Jahr kümmern sie sich jedoch um eine andere Klientel von Patienten.
In dieser Woche ist es wieder so weit: Bis zum Mittwoch können Kinder ihre Teddys und sonstigen Kuscheltiere in das Universitätsklinikum bringen. In einer eigens eingerichteten "Teddybärklinik" in der Osthalle werden Medizinstudenten die Patienten untersuchen und deren Wehwehchen behandeln.
Da Plüschtier-Therapien nicht zum akademischen Lehrprogramm gehören, gab es für die Studierenden auch eine Einführungsveranstaltung, die auf den Spezialeinsatz vorbereitet.
Die Kinder werden von Anfang bis Ende begleitet
Zahlreiche Freiwillige haben sich dafür im Hörsaal eingefunden, um alles über die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten bei Plüschtieren und Puppen zu erfahren. Ziel des von Medizinstudenten initiierten Projekts ist es, Kindern den Umgang mit medizinischen Behandlungen spielerisch näher zu bringen und ihnen die Angst vor dem Arztbesuch zu nehmen.
Die Teddybärklinik findet in diesem Jahr bereits zum achten Mal statt und findet stets große Resonanz. Jedes Jahr pilgern 400 Kinder ins Klinikum, um ihre kranken Lieblinge behandeln zu lassen.
"Das Wichtigste ist, dass ihr die Kinder vom Anfang bis zum Ende begleitet", schärft Marika Tschapek den Helfern beim Vorbereitungstreffen ein. Die Medizinstudentin im achten Semester organisiert gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Julius Graf das diesjährige Teddybärkrankenhaus.
Beide machen schon seit mehreren Jahren bei dem Projekt mit und sind "alte Hasen" bei der Behandlung von Plüschtieren. "Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß", sagen sie.
Die Teddyklinik ist wie eine richtige Klinik angelegt: Es gibt eine Anmeldung, einen Warte- und einen Untersuchungsbereich, eine Röntgenabteilung, einen Operationssaal und eine Apotheke. Komplettiert wird das medizinische Angebot durch Physiotherapie und eine Zahnklinik.
Häufig Sturzverletzungen
Medizinstudentin Marika Tschapek bereitet ihre Kommilitonen auf ihre plüschigen Patienten vor.
Die "Teddy-Docs" haben alles bei sich, was ein Arzt so braucht: Kittel, Stethoskop, Augenleuchte, Reflexhammer und Kugelschreiber. An ihren Arbeitsplätzen liegen außerdem Utensilien wie Spatel, Pflaster, Blutdruckmessgerät und Thermometer.
"Bei der Untersuchung müsst ihr sehr geduldig sein und euch viel Zeit nehmen", sagt Marika Tschapek. "Fragt nach Dauer und Art der Beschwerden, guckt in Ohren und Mund, testet Reflexe, messt Fieber."
Zu den häufigsten Krankheiten gehören Sturzverletzungen. "Der Klassiker ist der Teddy, der aus dem Bett gefallen ist", erläutert die Organisatorin. Hier sollten die Helfer die Motorik testen und dabei das Kind mitmachen lassen: "Tun die Arme weh beim Bewegen?" Besteht der Verdacht, dass der Teddy sich ein Bein gebrochen hat, geht es weiter zur "Röntgenstation".
Auch bei Bauchschmerzen kann eine solche Untersuchung hilfreich sein: "Manchmal finden wir da eine Schraube", schmunzelt die Medizinstudentin. Die Helfer haben im Vorfeld entsprechende Röntgenbilder vorbereitet -allerdings nur von Teddys. "Einen Dinosaurier können wir nicht röntgen", erklärt Julius Graf.
Acht Prozent der Plüschtiere haben akutes Fieber
Nach den bisherigen Erfahrungen haben jeweils 15 Prozent der Patienten Bauchweh oder ein Bein gebrochen. In schweren Fällen helfen nur Nadel und Faden, um Augen oder Beine wieder anzunähen. Acht Prozent der Plüschtiere haben akutes Fieber oder leiden an Husten, manche haben auch eine Fliege verschluckt.
Für Erkältungen und Halsschmerzen gibt es Schals und Wärmflaschen in der Apotheke. Ganz schwierige Krankheitsfälle werden im OP behandelt, der auf die Kinder immer einen besonders großen Eindruck macht.
Wichtig ist auch die Physiotherapie: Bei Zerrungen und Prellungen müssen Teddys kräftig durchgeknuddelt werden. Hier lernen die Kinder spezielle Griffe, mit denen ihre Lieblinge ganz schnell wieder gesund werden. "Diese Kuscheltherapie sollte eigentlich immer verordnet werden", meint Julius Graf.