Körperschmuck
Die rechtliche Grauzone rund ums Tattoo weglasern
Anfangs cool, nach Jahren oft ungeliebt: Immer mehr Menschen lassen sich Tattoos entfernen. Doch nicht jeder sollte mit dem Laser hantieren, sagen Ärzte - und fordern, diese rechtliche Grauzone zu beseitigen.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. Es war für immer, aber jetzt muss es weg. Kristiana schaut auf ihren linken Oberarm: Da galoppiert - etwas verblasst - ein kleines dunkelblaues Einhorn.
Vor über 25 Jahren hat sie sich das unbeholfene Wesen als Tattoo stechen lassen, ein Mädchentraum-Märchenmotiv.
"Ich war so jung", sagt sie, das Einhorn sieht inzwischen aus wie ein Pony. Kristiana ist Arzthelferin, alleinerziehend, und mit den Märchen hat es sich irgendwie erledigt. Das Tattoo passt nicht mehr zu ihr, findet sie und will es entfernen.
Damit ist sie nicht allein, im Gegenteil. Der Markt für die Entfernung von Tattoos boomt. Rund 700.000 Menschen in Deutschland sind mit ihren Tattoos unzufrieden, schätzt der Bochumer Dermatologe Klaus Hoffmann.
Er bezieht sich auf eine im Mai vorgestellte Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Uni Bochum und diverser Tattoo- und Piercingverbände. Danach tragen 6,3 Millionen Menschen in Deutschland ein Tattoo, andere Schätzungen sprechen von bis zu acht Millionen. Etwa zehn Prozent wollen es wieder loswerden.
Lasern am erfolgversprechendsten
Aber wie? Es werden immer wieder neue Verfahren zur Entfernung entwickelt, "eine Meldepflicht an Behörden oder eine behördliche Prüfung gibt es aber nicht", heißt es beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Die erfolgversprechendste Methode ist das Lasern - auch wenn es andere, zum Teil hochumstrittene und schmerzhafte Verfahren gibt wie das Abschleifen der Haut, Behandlung mit Milchsäure bis hin zur Transplantation.
Hoffmann ist sozusagen Tattooentfernungs-Experte. Als Leiter des Laserzentrums des Landes Nordrhein-Westfalen arbeitet er seit Mai 2013 mit dem 300.000 Euro teuren Laser "Picosure" - damals war er in Europa Pionier, inzwischen sind in Deutschland vier dieser Geräte im Einsatz. Sie gehen mit ultrakurzen Energieimpulsen auf die Farbpigmente des Tattoos los und zersetzen sie, so dass der Körper sie abtransportieren kann.
Rund 5000 Patienten hat er in den letzten zwölf Monaten behandelt, zehn bis 15 am Tag. Die Termine sind über Monate ausgebucht. Die Erfolge seien herausragend, die Behandlung schonend und wenig schmerzvoll.
Aber neben Medizinern tummeln sich auch zahlreiche andere Anbieter auf dem Tattoo-Entfernungsmarkt. Kosmetikstudios bieten diese Leistung an ebenso wie Tattoostudios selbst oder etwa die Kette "tattoolos". Anfang Juli hat sie ihre erste süddeutsche Niederlassung in Karlsruhe eröffnet, drei weitere stehen in Berlin sowie jeweils eine in Gelsenkirchen und Flensburg.
"Wir haben Kunden, die fahren 300 oder 400 Kilometer zu uns", sagt "tattoolos"-Gründer Markus Lühr.
Über 10.000 Behandlungen seien bei "tattoolos" in den sechs Jahren seit Gründung vorgenommen worden an rund 2000 Patienten. "Wir haben extreme Zuwächse, die sich Jahr für Jahr verdoppeln", sagt er. Das Unternehmen verwende hochwertige, bis zu 30.000 Euro teure Laser, "keine Billigware von Ebay wie manche Kosmetikstudios", betont Lühr.
Strenge Kontrollen - Fehlanzeige
Dermatologen sehen aber keinen rechten Unterschied; medizinische Laien bleiben medizinische Laien, sagen sie - und die dort verwendeten Laser hinkten oft zwei bis drei Technikgenerationen hinterher. "Nur Ärzte sollten lasern", fordert Hoffmann ebenso wie die Deutsche Dermatologische Lasergesellschaft (DDL).
Auch der Bundesverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) setzt sich in der Deutschen Strahlenschutzkommission seit Jahren dafür ein, das Verfahren nur noch Ärzten zu erlauben - so wie es etwa in Dänemark gehandhabt wird. Rechtlich gesehen ist das Lasern in einer Grauzone angesiedelt. Denn die kosmetischen Geräte unterliegen im Gegensatz zu den medizinischen keinen strengen Kontrollen.
"Im Markt geht es drunter und drüber, da kann jeder machen, was er will", moniert Hoffmann. Das Ärztenetzwerk "doc tattooentfernung" bringt deshalb seit einigen Jahren Profis der Tattooentfernung mit potenziellen Patienten zusammen.
Schließlich ist die Prozedur nicht nur fachlich anspruchsvoll, sondern auch teuer: Zwischen 100 und 200 Euro kostet eine Entfernung in Studios, Behandlungen mit Picosure kosten 300 bis 500 Euro. Da mehrere Sitzungen nötig sind - je nach Gerät und Tattoo zwischen fünf und zwölf - muss locker ein kräftig vierstelliger Betrag investiert werden. Die Krankenkasse zahlt dafür nicht.
Wer sein Tattoo nicht mehr sehen kann, dem ist das Geld dann oft ziemlich egal. Die Namen der Liebsten ändern sich ebenso wie politische Ansichten oder der eigene Geschmack. "Und Einhörner gibt es sowieso nicht", sagt Kristiana. (dpa)