Zentralrat der Juden
Ein Arzt wird neuer Präsident
Dr. Josef Schuster ist neuer Präsident des Zentralrats der Juden. Er stammt aus Israel, doch seine Heimat ist Würzburg, wo er als Internist niedergelassen ist. Er will sein Amt ausüben und weiter als Arzt praktizieren.
Veröffentlicht:FRANKFURT/WÜRZBURG. Dass Josef Schuster einmal Präsident des Zentralrats der Juden werden könnte, hat er nicht geplant. "Ehrlich gesagt, war das Präsidentenamt anzustreben nicht meine Lebensplanung", sagt der 60-Jährige.
Er bedauert es sehr, dass Dieter Graumann nach vier Jahren im Amt nicht wieder angetreten ist. "Ich wäre sehr gern weiter Vizepräsident unter Graumann geblieben", sagt Schuster, der bei der Ratsversammlung am Sonntag in Frankfurt zu dessen Nachfolger gewählt wurde.
Schuster ist seit fast 32 Jahren verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Und er ist Würzburger im Herzen. Kindergarten, Schule, Medizinstudium, Arzt-Ausbildung zum Internisten - alle wichtigen Schritte im Leben geht er in Unterfranken.
Und das wird auch so bleiben, sagt er. Eine Zeitung beschrieb ihn mal als Nesthocker, "das fand ich ganz amüsant und auch irgendwie passend".
Engagement bei der Wasserwacht
Seine Praxis im Herzen der Residenzstadt werde er deshalb unverändert weiterführen. "Beim Präsidentenamt handelt es sich um ein Ehrenamt. Es ist also notwendig, dass man einen Hauptberuf ausübt, denn irgendwo müssen die Brötchen herkommen", erklärt er ganz pragmatisch.
Nebenbei engagiert er sich zudem als Arzt bei der Wasserwacht und im Rettungsdienst. Dass sich mit dem Vorrücken an die Spitze des Zentralrats der deutschen Juden dennoch einiges in seinem Alltag verändern wird, ist ihm bewusst.
Schuster und seinen Vorgänger Graumann verbindet viel. Sie sind etwa gleich alt und gehören zur ersten Generation, die den Massenmord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg nicht mehr miterlebt hat. Sie haben außerdem die gleichen Visionen für den Zentralrat und ähnliche Gedanken zur Situation der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Ziel: Offenheit und Pluralismus des Judentums zu stärken.
Die jüdische Gemeinschaft verstehe sich als Teil der deutschen Gesellschaft und wolle das Leben hier mitgestalten, sagt Schuster nach seiner Wahl. Der Dachverband müsse mit den 108 jüdischen Gemeinden fest verbunden sein. "Die Gemeinden bilden unser Fundament."
Finanzielle Hilfe wird verdoppelt
Schuster lobt seinen Vorgänger ausdrücklich für den personellen Umbau des Zentralrats, der professioneller geworden sei. Zudem habe Graumann mit der Bundesregierung einen neuen Staatsvertrag ausgehandelt und so die finanziellen Hilfen verdoppeln können.
Es sei ihm auch gelungen, das öffentliche Bild vom Judentum von den Themen Trauer und Gedenken an den Holocaust zu lösen und zu zeigen, dass Judentum auch zukunftsgewandt und fröhlich sein könne.
Josef Schuster wurde 1954 in der israelischen Hafenstadt Haifa geboren. Seine Eltern zogen aber wenig später zurück nach Würzburg. Die Familie wurzelt seit Jahrhunderten in Unterfranken.
Sein Vater überlebte mehrere Konzentrationslager und baute in den 1970er-Jahren in Würzburg eine Synagoge auf.
Und obwohl Schusters Eltern ihre Religion traditionell lebten, war schon seine Kindheit von Offenheit bestimmt: "Meine Eltern waren sicherlich religiöser, als ich es bin, sie hatten aber als Hausrabbiner den zum damaligen Zeitpunkt einzigen liberalen Rabbiner in Deutschland. Ich bin auch von Haus aus eigentlich sehr offen geprägt", berichtet er.
Orthodoxe und liberale Juden sieht der neu gewählte Präsident als zwei Säulen des Judentums. "Das Idealbild einer jüdischen Gemeinde ist für mich die Gemeinde in Frankfurt, wo unter ein und dem selben Dach sowohl ein traditioneller Gottesdienst stattfindet und eine Etage tiefer ein liberaler Gottesdienst mit einer Rabbinerin", erklärte er in einem Interview der dpa.
Als große Herausforderung gilt weiterhin die Integration der zugewanderten Juden aus der Sowjetunion, die inzwischen die Mehrheit der jüdischen Menschen in Deutschland bilden. (dpa)