Erdbeben Nepal
Ein Schrei nach Hilfe
Vor Krankenhäusern werden Leichen gestapelt, die Kliniken sind heillos überfüllt: Nach dem schweren Erbeben in Nepal mit über 3000 Toten wird dringend Hilfe benötigt, um die medizinische Versorgung zu sichern.
Veröffentlicht:BERLIN. Nach den schweren Erdbeben in Nepal mit mehr als 3200 Toten warnen Fachleute vor dem Ausbruch von Krankheiten.
"Wir fürchten, dass es zu Epidemien kommen könnte", sagte der Koordinator der Arbeiterwohlfahrt International (AWO) in Kathmandu, Felix Neuhaus, am Montag im Deutschlandfunk. Die Trinkwasserversorgung sei ausgefallen und Regen verschlimmere die Lage.
"Die Krankenhäuser sind komplett überlastet", sagte Neuhaus. Auf den Straßen herrsche allgemeines Chaos, besonders schlimm sei die Situation in den Dörfern, "wo bis zu 100 Prozent der gesamten Bausubstanz zusammengefallen ist", erklärte der Nothilfekoordinator.
Hilfe nur schwer möglich
"Die Situation in Kathmandu ist fatal", sagte der Länderreferent bei Caritas international, Peter Seidel, im ZDF-"Morgenmagazin": "Die medizinische Versorgung in Nepal ist schon in normalen Zeiten sehr schlecht, auf dem Land in vielen Regionen praktisch inexistent." Umso schwieriger werde es jetzt, medizinische Nothilfe zu leisten.
Der Flughafen von Nepal ist überlastet, viele Straßen versperrt: Die Hilfe aus aller Welt kommt nur schwer ins Erdbebengebiet in Nepal. Auch die Verteilung der Hilfsgüter ist schwierig.
Das nepalesische Innenministerium erhöhte die Zahl der Toten am Montag auf mindestens 3432 allein im eigenen Land. Nach Regierungsangaben sollten auch am Montag massenhaft Leichen verbrannt werden, um Seuchen zu verhindern.
Nepals Regierung spricht von mehr als 6500 Verletzten. Krankenhäuser sind heillos überfüllt, Ärzte arbeiten rund um die Uhr. Viele Verletzte müssen auf der Straße versorgt werden. Die Regierung rief die Bürger zu Blutspenden auf.
In Indien starben 62 Menschen, in China mindestens 20 Menschen. Das Erdbeben der Stärke 7,8 am Samstag war das stärkste in Nepal seit mehr als 80 Jahren. Das Epizentrum lag etwa 80 Kilometer nordwestlich von Kathmandu.
"Zwei-Klassen-Rettung"
Bergsteiger Reinhold Messner kritisierte, es gebe eine "Zwei-Klassen-Rettung". "Es ist zynisch, dass man um die Bergsteiger am Mount Everest, die sich für 80 000 bis 100 000 Dollar diese Besteigung kaufen können, einen solchen Hype macht", sagte er in hr-Info. In erster Linie müsse man den Menschen in Kathmandu helfen und nicht den Bergsteigern.
"In dem bergigen Land ist der Transport von Gütern immer eine Herausforderung - auch wenn es kein Erdbeben gibt", sagte Unni Krishnan, Katastrophenteam-Chef der Hilfsorganisation Plan. Klar sei bislang nur, dass Tausende Häuser zerstört seien, aber nicht, wo genau wie viele.
"Deswegen ist es nicht möglich, Hilfspakete aus der Luft abzuwerfen", sagte er. Das wichtigste sei es nun, die Menschen mit Zelten und Licht wie etwa Solarlampen zu versorgen. Denn es regnet immer wieder, und die Meteorologen sagen mehr Regen voraus.
Unterdessen erschütterten weitere Nachbeben die Erde im Katastrophengebiet. Die Menschen trauen sich aus Angst vor weiteren Einstürzen nicht in ihre Häuser zurück. Zahlreiche Parks und öffentliche Plätze in Kathmandu glichen Zeltstädten - Hunderttausende schlafen im Freien.
Zahlreiche Staaten und Organisationen entsandten Helfer. Indien war besonders aktiv: 400 Tonnen Material seien eingetroffen, teilte die indische Botschaft in Nepal mit.
Eine Maschine der Luftwaffe habe aber wegen "Überlastung" des Flughafens umdrehen müssen, erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Neu Delhi. Deswegen würden nun alle Maschinen neu getimt. Auch Deutschland schickte Experten. Am Mittag sollte ein Team des Technischen Hilfswerks (THW) in Kathmandu eintreffen.
Die Europäische Kommission versprach Nepal drei Millionen Euro Soforthilfe. Am dringendsten würden medizinische Helferteams und Nothilfe-Lieferungen benötigt, erklärte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides. Die Asiatische Entwicklungsbank versprach drei Millionen US-Dollar für Zelte, Medikamente und Trinkwasser.
In dem betroffenen Gebiet leben nach UN-Angaben 6,6 Millionen Menschen. (dpa)