Kriminalbiologe Benecke

Herr der Maden, Punk und Superstar der Forensik

Der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke füllt bei seinen Vorträgen die Hallen der Republik wie ein Popstar. Warum eigentlich? Gibt es ein Bedürfnis nach wohldosiertem Ekel?

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Der Herr der Maden: Forensiker Dr. Mark Benecke

Der Herr der Maden: Forensiker Dr. Mark Benecke

© SvenSimon / dpa

Er mag's gern schwarz. Hosen, Hemden, Westen, Hoodies – immer alles schwarz wie für einen Friedhofbesuch. Zu besonderen Anlässen trägt er auch mal einen roten Schlips, aber das selten. Seine Arme sind tätowiert, sein Schädel ist rasiert, seine Nase gepierct. Kein Zweifel, Dr. Mark Benecke ist der Punk unter den Forensikern.

Der Boulevard nennt ihn den "Herrn der Maden". Das wurmt ihn keineswegs. Im Gegenteil. Mit Maden verdient er sein Geld. "Sie sind ziemlich cool", sagt der 1970 geborene Kriminalbiologe, Spezialist für forensische Entomologie.

Menschen dagegen strengen ihn an. Evolutionsbiologisch betrachtet seien Menschen zudem überflüssig. "Ein kleiner, guter, freundlicher Witz der Natur."

Diplom-Biologe Dr. rer. medic, M.Sc., Ph.D. Mark Benecke ist eigenen Angaben nach Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren. Er hat in Köln Biologie, Zoologie und Psychologie studiert, am Institut für Rechtsmedizin über genetische Fingerabdrücke promoviert und sein Wissen in den USA an der berühmten FBI-Academy vertieft.

Im Gekreuche und Gefleuche der Vergängnis liest er wie in einem spannenden Buch. Seine Expertise, gespeist von Neugier und Begeisterung, ist weltweit anerkannt und gefragt.

Hitler-Analyse: Abstammung von nordafrikanischen Juden?

Sogar die Überreste von Hitlers Schädel und Zähnen in Moskau durfte er analysieren. War nicht besonders spannend, sagt er heute. Viel aufregender fand er da schon jene DNA-Spuren, die er auf der Serviette eines Hitler-Verwandten entdeckte: Sie zeugten von einer Linie nordafrikanischer Juden – ausgerechnet.

"Ich liebe Tatsachen, Beweisbares, Wahres, Dinge, Spuren, Anfassbares und Messbares", zählt Benecke die Beweggründe für die Wahl seiner Profession auf. "Das alles erfährt der Mensch nur durch Experimente."

An Tatorten ist er nicht der Mann fürs Grobe, sondern fürs Allerfeinste. Er hält Ausschau nach Fasern, Blutspritzern, Krümeln oder Haaren. Das winzigste Detail könnte den Blick aufs große Ganze verändern.

Multimedialer Star

Einer breiteren Öffentlichkeit ist Benecke durch Auftritte in TV-Sendungen wie "Medical Detectives", "Akte Mord" oder "Autopsie – Mysteriöse Todesfälle" bekannt geworden, in denen er wissenschaftliche Methoden bei der Aufklärung realer Kriminalfälle erläutert. Darüber hinaus schreibt er Bücher.

Populärwissenschaftliche Werke über seinen Beruf ("Aus der Dunkelkammer des Bösen", "Mumien in Palermo"). Abhandlungen über Vampirismus ("Vampire unter uns"). Betrachtungen über den Traum vom ewigen Leben ("Memento Mori"). Mutmaßungen über Tattoos ("Warum Tätowierte mehr Sex haben"). Sachbücher für Kinder ("Wo bleibt die Maus?", "Das knallt dem Frosch die Locken weg").

Und zuletzt: eine Biografie über den vielleicht berühmtesten Rechtsmediziner der DDR ("Seziert: Das Leben des Otto Prokop"), was eine Zeitung zu der HEADLINE "Herr der Maden schreibt über Herrn der Leichen" inspirierte.

Wenn der Madenmann auf Tournee geht, füllt er die Hallen wie ein Popstar. Dann steht er vor einer riesigen Leinwand und klickt sich durch Motive, die seine Zuschauer eigentlich anwidern müssten: Leichen über Leichen, übersät von Maden und anderem Getier.

Allem Anschein gibt es ein Bedürfnis nach wohldosiertem Ekel, sonst wären die Eintrittskarten zu seinen Shows nicht so schnell vergriffen. Oder liegt‘s an seinem Vortrag? Dass das Austrocknen einer Leiche der Herstellung eines Schinkens gleicht, darauf muss man erst kommen. Was ihn leitet, sei die Wahrheit und nichts als die Wahrheit: "Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag."

Kandidat fürs Bürgermeisteramt

Mitunter wirkt Benecke so, als könne er die Zeit dehnen. Neben seinem Beruf, seinen Fernsehauftritten und seinen Büchern findet er durchaus noch Zeit, sich seinen Hobbys und Liebhabereien zu widmen. Beispielsweise ist er Vorsitzender des Landesverbandes NRW der Satirepartei "Die Partei", für die er 2015 bei der Oberbürgermeisterwahl in Köln gegen die heutige Amtsinhaberin Henriette Rekers antrat und mit 7,22 Prozent der Stimmen den dritten Platz erzielte.

Darüber hinaus ist er Mitglied im Wissenschaftsrat der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften, im Wissenschaftlichen Beirat der Annals of Improbable Research, die an der Harvard-University jährlich die Ig-Nobelpreise verleiht, Vorsitzender des Vereins Pro Tattoo, Präsident der Transsylvanian Society of Dracula, Mitbegründer der Schlager-Punk-Band "Die blonden Burschen", Schauspieler (unter dem Pseudonym Murat Belcant), Tierschützer (für Peta) und öffentlich bekennender Vegetarier.

Benecke überTatort: Boerne geht gar nicht

Was Benecke dagegen keine Freude bereitet, ist das Fernsehen. Krimis mag er gar nicht. Und den "Tatort" mit seinem Fernsehkollegen Boerne, den findet er ganz schlimm.

Allein wie der sich vorstellt: "Gestatten, Boerne: Rechtsmediziner und Professor für forensische Pathologie." Das sei an sich schon Quatsch. "Denn in ganz Deutschland gibt es keinen einzigen forensischen Pathologen – außer im Tatort."

Dr. Mark Benecke

- Kriminalbiologe und Spezialist für forensische Entomologie

- Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren

- Fachspezifische Ausbildungen auf der ganzen Welt, so zum Beispiel beim FBI.

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Kommentare
Michaela Machholz 06.06.201707:40 Uhr

Und ich dachte,...

...dass Rechtsmediziner für die genannten Tätigkeiten zuständig sind...ich lerne aber natürlich immer gerne dazu... :-)

Horst Grünwoldt 02.06.201713:27 Uhr

Der Überschätzte

Zunächst muß dem aktionistischen Entomologen und Psychologen -entgegen seiner Behauptung- klargemacht werden, dass es in jedem Universitäts-Institut der forensichen Medizin natürlich die Pathologen sind, die die Sektionen an verstorbenen oder getöteten Menschen alltäglich durchführen. Und in der Regel sind die es, die zu abschließenden postmortalen Diagnosen über die jeweilige Todesursache kommen!
Dafür wird der "Herr der Maden" - Dr. Mark Benecke nur ausnahmsweise gebraucht.
Er hat aber seine einträgliche Nische entdeckt: öffentliche Gruselgeschichten um seine banalen, entomologischen Enträtselungen zu spinnen, und die unserer naiven Spaßgesellschaft mit schauernden Gefühlen zu verkaufen! Dazu bedarf es wohl auch des Psychologen M.B.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

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