Ältere Frauen

Kein Partner, kein Sex

Die meisten Frauen sind auch noch mit über 60 Jahren sexuell aktiv - allerdings nur dann, wenn sie einen festen Partner haben. Alle anderen haben praktisch keinen Sex mehr.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Diese Frau scheint glücklich zu sein.

Diese Frau scheint glücklich zu sein.

© Jakob Wackerhausen / iStock / Thinkstock

NEU-ISENBURG. Die ersten Babyboomer erreichen mittlerweile das Rentenalter, und mit ihnen dürfte auch ein anderes Verständnis von Sexualität bei den über 60-Jährigen Einzug halten.

So hatte sich die erste Nachkriegsgeneration bekanntlich einen freieren sexuellen Umgang erkämpft und viele überholte Moralvorstellungen über Bord geworfen.

Ob sich dies auch auf das Sexualleben der heutigen Grauhaarigen auswirkt, haben nun US-Forscher um Dr. Holly Thomas von der Universität in Pittsburgh untersucht (Ann Fam Med 2015; 13: 336-42). Danach haben zumindest Frauen auch im beginnenden Lebensherbst noch viel Freude am Sex - allerdings nur mit einem festen Partner.

Mindestens ein Sexualkontakt

Ausschließlich auf Aussagen von Frauen haben sich die Gesundheitsforscher um Thomas bei der Auswertung der Studie MIDUS II* konzentriert. Dafür waren rund 2650 Teilnehmerinnen im Alter von 28 bis 84 Jahren befragt worden, das Durchschnittsalter lag bei 56 Jahren. 80 Prozent der Frauen beantworteten bei der MIDUS-Erhebung auch Fragen zu ihrer Sexualität.

Zwei Drittel davon waren verheiratet oder in einer festen Beziehung. Von diesen Frauen waren 69 Prozent nach eigenen Angaben sexuell aktiv, dafür mussten sie mindestens einen Sexualkontakt in den vergangenen sechs Monaten genannt haben.

Deutlich trüber sieht das Sexualleben offenbar bei Frauen ohne Partner aus: Nur 17 Prozent hatten im halben Jahr vor der Befragung Sex. Der Anteil ist damit vierfach geringer als bei den Frauen mit fester Partnerschaft.

Insgesamt nimmt der Anteil sexuell aktiver Frauen mit dem Alter deutlich ab. Von den 40-Jährigen gaben rund 90 Prozent an, sexuell aktiv zu sein, bei den 50- bis 59-Jährigen waren es noch etwa zwei Drittel, bei den 60- bis 69-Jährigen etwa die Hälfte und bei den 70- bis 79-Jährigen noch knapp 31 Prozent.

Wurden nur die Frauen in fester Partnerschaft betrachtet, so fiel der Anteil von 98 Prozent bei den unter 40-Jährigen auf etwas über 40 Prozent bei den mehr als 70-Jährigen.

Bei den über 60-Jährigen waren immerhin noch 59 Prozent sexuell aktiv. Umgekehrt lässt sich aus den Daten schließen, dass Frauen über 50 Jahren ohne festen Partner praktisch auch keinen Sex mehr haben - hier hat sich trotz sexueller Revolution offenbar nichts geändert.

Mindestens einmal die Woche

Neben einer festen Partnerschaft und dem Alter erwiesen sich auch noch andere Faktoren als bedeutsam: So sah das Liebesleben von Menschen mit Übergewicht und Depressionen insgesamt etwas trüber aus.

Nicht zu verkennen ist jedoch auch, dass die Bedeutung von Sex bei den diesbezüglich aktiven Frauen mit dem Alter deutlich nach lässt.

Von den unter 44-Jährigen gab noch mehr als die Hälfte an, mindestens einmal die Woche Sex zu haben, wobei nicht definiert wurde, was das genau bedeutet. Bei den über 65-Jährigen lag dieser Anteil nur noch bei 30 Prozent.

Die Frauen wurden auch nach der Bedeutung gefragt, die sie ihrem Sexualleben zumessen. Wenig überraschend war ein erfülltes Sexualleben für die aktiven Frauen deutlich wichtiger als für die inaktiven.

Auf einer Zehn-Punkte-Skala zur sexuellen Zufriedenheit erreichten die aktiven Frauen einen Wert von rund 6 Punkten, die nicht aktiven nur von 2,3 Punkten. Die Zufriedenheit mit dem Sexualleben war bei den Frauen am höchsten, die mit ihrem Partner gut über Probleme reden konnten, die Sex für sehr wichtig hielten, die auch schon zehn Jahre zuvor sehr aktiv waren und insgesamt gerne und viel Sex hatten.

Alter spielt kaum eine Rolle

Interessanterweise spielte das Alter bei der Beurteilung der sexuellen Zufriedenheit kaum eine Rolle. Auch wenn die sexuelle Aktivität im Alter nachlässt, die Zufriedenheit bleibt bestehen.

Einige Zweifel an den Studiendaten sind jedoch angebracht: So haben 20 Prozent der befragten Frauen keine Angaben zu ihrem Sexualleben gemacht. Dabei handelte es sich eher um ältere Frauen, solche ohne Partner oder um Angehörige von Minderheiten. Es ist davon auszugehen, dass ein hoher Anteil dieser Frauen sexuell inaktiv ist und die genannten Zahlen zu den aktiven Frauen damit deutlich zu hoch ausfallen.

Auf der anderen Seite lassen sich die Verhältnisse vom eher prüden Amerika kaum auf Deutschland übertragen. Es wäre daher interessant zu wissen, wie eine ähnliche Umfrage hierzulande ausfallen würde.

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 14.10.201521:01 Uhr

Liebeslust

Was ist das wieder für eine US-Studie des Dr. Holly X der Universität Pittsburgh, die nicht einmal vor der Volksbefragung definiert, was "Sex haben -oder nicht?" ist!
Weltweit dürften die heterosexuell aktiven Paare darunter zumeist verstehen: intercourse, Geschlechts-Verkehr, Vögeln oder faire l´amour.
Die Franzosen verstehen unter "Liebe machen" natürlich noch ein erweitertes Programm an körperlicher und emotionaler Zuwendung.
So hat uns das ja auch schon das Tantra gelehrt.
Für die bis 50- Jährigen Vorklimakterischen in der europäischen Zivilisation, dürfte Sex-Haben aber stets mit dem Begriff "coitus" assoziiert werden. Und der dürfte bei gesunden Männern bekanntlich mit einem intravaginalen Orgasmus als sexueller Vollzug den Höhepunkt finden. Wie schön, wenn die Venus dabei auch ihre Climax findet.

Da nun einmal die sexuellen Kräfte und Verlangen -auch beim homo sapiens- vom Kampf- und Brunsthormon ganz wesentlich abhängen, ist deren alterbedingtes Schwinden natürlicher Weise auch mit Abnahme und Veränderung der zwischengeschlechtlichen Praktiken verbunden. Und dabei sind uns nun mal die Liebsten chronologisch voraus!
Dass alleinstehende, ältere Frauen dann nicht mehr am oben definierten Sex-Haben besonders interessiert sind, ist wohl klar. Für die gleiche Altersgruppe der Männer dürfte aber ein paar Jahre länger gelten: Gelegenheit macht Liebe - oder Sex!
Wie das beim Homo-Sex abweichend aussieht, hat die o.g. Studie uns im Gender-Zeitalter leider nicht verraten. Was sagen wohl unsere Sexologen ergänzend dazu?
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

Dr. Wolfgang P. Bayerl 30.09.201509:18 Uhr

Wir sind noch nicht ganz die "USA", in der Sex eher die Unzufriedenheit fördert.

Das zitierte "Überbordwerfen von Moralvorstellungen" hat auch in Deutschland nach Untersuchungen der Uni Bremen nichz zu mehr sondern zu weniger Sex geführt, das ist das bekannte Ergebnis der "sexuellen Revolution" mit dem damaligen slogan:
"Wer zwei mal mit demselben pennt, gehört schon zum Establishment".
Nicht ganz überraschend, denn das "Paaren" hat offensichtlich etwas mit Partnerschaft und Partnerschaftsfähigkeit zu tun und die hat mit dem permanenten auch bei uns vordringenden Feminismus eindeutig abgenommen auch vom Staat massiv gefördert.
Desweiteren wird bekanntlich bei kaum einem Tema mehr gelogen als beim Sex,
wobei die Männer traditionell immer maßlos übertreiben und die Frauen das Gegenteil angeben. Denn zum "normallen" Sex gehören immer noch zwei Personen, so dass man vom 1:1 ausgehen sollte, na ja, minus dem ältestewn Gewerbe der Welt.

Die Frage der "Zufriedenheit" ist also eher eine Frage der Partnerschaft, der Quailtät von Partnerschaft und der "Partnerfähigkeit", die ja systematisch abtrainiert wird. Der wesentliche Teil davon ist selbstverständlich die "überbordgeworfene" Moral.
Gibt es echte Freundschaft nur noch unter Männern?

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