Doppelbelastung Familie und Beruf
Eltern am Rande des Burn-out
Mütter und Väter reibt der Alltag zwischen Familie und Beruf häufig auf – erst recht kurz vor Weihnachten. Was ist zu tun, damit die Gesundheit nicht auf der Strecke bleibt?
Veröffentlicht:Hannover. Der ständige Kampf mit den Kindern, Druck im Job und dazu noch „das bisschen Haushalt“, wie es im 70er-Jahre-Schlager heißt: Fast 40 Prozent der Eltern mit Nachwuchs unter 18 Jahren fühlen sich häufig oder sehr häufig gestresst.
Das geht aus einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) hervor.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat dafür 1007 Eltern von Kindern unter 18 Jahren im November repräsentativ befragt. Im Endspurt vor Weihnachten mit Adventsbasteln, Geschenke-Shoppen, Flötenkonzert und Plätzchenbacken dürfte sich der Stress bei den meisten Müttern und Vätern noch potenzieren.
Konflikte in der Familie
Als Auslöser nennen die befragten Eltern zu jeweils 30 Prozent Konflikte/Probleme in der Familie sowie die Arbeitsbelastung im Haushalt.
Gut jeden Vierten (27 Prozent) setzt das Gefühl unter Druck, ständig erreichbar sein zu müssen oder zu wollen. Dies gilt für das berufliche Email-Postfach genauso wie für private Whats- App-Gruppen, wo vor dem Fest Geschenke, das Weihnachtsmenü oder selbst die Rollenverteilung im Krippenspiel diskutiert werden.
Weihnachtsvorbereitungen sind in der Regel zunächst positiver Stress, der aber ins Negative kippen kann. Die meisten dauerhaft gestressten Eltern erleben der Umfrage zufolge irgendwann Erschöpfung und Burn-out.
Viele leiden unter Nervosität, Gereiztheit, Schlafstörungen sowie Kopf-, Rücken- und Magenschmerzen. 31 Prozent von ihnen sagten, dass sie wegen des hohen Drucks schon einmal niedergeschlagen oder sogar depressiv waren.
Die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden ist deutlich gestiegen, von durchschnittlich 35,4 Tagen im Jahr 2015 auf 39,1 Tage im vergangenen Jahr. In jungen Familien arbeiten zunehmend beide Partner annähernd Vollzeit – bei Alleinerziehenden würde das Gehalt einer Teilzeitstelle meist gar nicht reichen.
Sie fühlen sich noch häufiger gestresst als Eltern, die mit ihrem Partner zusammenleben. Laut Müttergenesungswerk kommen immer mehr Eltern in Beratungsstellen, um sich über Kuren zu informieren. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, gestresste Mütter und Väter für eine vom Arzt verordnete Kur freizustellen.
Beste Startchancen für die Kleinen
„Der Druck ist sehr hoch, die Taktung anders als früher“, sagt Antje Krause, Leiterin einer Klinik in Bad Harzburg, die Mütter- und Mütter-Kind-Kuren anbietet. Eltern strebten danach, ihre Familien zu optimieren und ihren Kindern die besten Startchancen zu geben. Im Gespräch mit Freundinnen werde zwar auf die Partner geschimpft oder über die Kinder gestöhnt, wenige Frauen redeten aber über ihre Erschöpfung. In der Kur gehe es dann darum, sich auszutauschen und innezuhalten.
„Eine Frau erzählte mir am Ende, das Schönste sei gewesen, ihrem Kind in Ruhe beim Spielen zuschauen zu können.“
Silvia Selinger-Hugen, Leiterin von zwei Kliniken auf der Nordsee-Insel Norderney, beobachtet, dass die Erziehungsarbeit nebenher erledigt werden muss, weil oft beide Eltern nahezu Vollzeit arbeiten. „Es muss Zeit für Beziehungen und Zeit für Kommunikation in der Familie bleiben“, mahnt sie. Wenn es ein Wertegerüst und gute Beziehungen innerhalb einer Familie gebe, seien die Mitglieder auch stressresistenter.
Doppelbelastung macht vielen zu schaffen
Die Doppelbelastung von Familie und Beruf sei ein Faktor für erhöhtes Auftreten von Depressionen bei Frauen im Vergleich zu Männern, sagt Anette Kersting, Professorin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Uniklinikum Leipzig. Dies sei durch Studien gut belegt. Die Haus- und Erziehungsarbeit bleibe meist Frauensache.
Gleichzeitig gibt es Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass Elternschaft vor psychischen Erkrankungen schützen kann. Die Ärztin betont: „Eltern müssen zwar sehr viel leisten, aber sie bekommen auch sehr viel zurück von ihren Kindern.“
Was wünschen sich Eltern? Drei von vier Befragten geben an, dass sie weniger gestresst wären, wenn sie ausreichend Raum für sich selbst hätten. Fast ebenso viele wünschen sich mehr Zeit mit der Familie. Für etwa die Hälfte würde zusätzliche Unterstützung wie ein höheres Kindergeld Entlastung bringen. Und bei fast jedem zweiten Befragten würden flexiblere Arbeitszeiten oder Homeoffice zum Stressabbau beitragen. (dpa)