Hinter Gittern
Ärzte in der JVA sind Mangelware
Verbeamtung, 40-Stunden-Woche, kein Bereitschaftsdienst. Klingt attraktiv - dennoch werden in Niedersachsen Ärzte in Gefängnissen dringend gesucht.
Veröffentlicht:HANNOVER. In den 13 Gefängnissen Niedersachsens fehlen Ärzte. Derzeit müssen 10,4 Planstellen mit teuren Honorarkräften gefüllt werden, das ist fast jede dritte Stelle.
Das erklärte die niedersächsische Landesregierung auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Landtag.
Oliver Weßels, Anstaltsleiter des Frauengefängnisses in Vechta, bestätigte der "Ärzte Zeitung" die angespannte Situation. "Es gibt Vakanzen, das ist unstrittig. Aber die medizinische Versorgung der Häftlinge ist jederzeit sichergestellt", so Weßels.
Zwar verfüge die Vechtaer Haftanstalt etwa über einen Gynäkologen. Aber sonst müssen auch hier die Gefangenen im Zweifel zu teuren Honorarärzten "ausgeführt" werden, wenn Anstaltsärzte fehlen.
Dies ist eine Maßnahme, die für die fachärztliche Behandlung fast immer nötig ist. Das kostet Personalstunden.
Erfahrung in Suchtmedizin gefragt
Schwierig ist außerdem, dass die Honorarärzte das "System Vollzug" nicht kennen, sagt der Anstaltsleiter. Das Justizministerium gibt jährlich fast 14 Millionen Euro für die medizinische Versorgung der Gefangenen aus, wie Weßels bestätigt.
"Ideal für uns wären Allgemeinmediziner, die die Arbeit hier zu schätzen wissen", sagt Weßels. Gesucht werden idealerweise Ärzte mit Erfahrungen in Suchtmedizin und Substitution sowie im Umgang mit HIV- und Hepatitis-Patienten.
In der Tat ist das Klientel speziell. "Viele Häftlinge werden auf der Straße verhaftet und kommen zum Teil direkt zu uns", so Weßels. Im Gefängnis werden sie oft seit Jahren erstmals wieder medizinisch versorgt.
"Wir päppeln sie zunächst einmal auf. Viele wären sicher gestorben, wenn wir nicht eingegriffen hätten. Paradoxerweise bedeutete für sie das Gefängnis dann zu überleben", sagt Weßels.
Neben Sucht- und Infektionskrankheiten leiden die Gefangenen auch an psychischen Auffälligkeiten. Man kooperiere dabei mit dem Justizvollzugskrankenhaus Lingen, berichtet Weßels. "Außerdem kommt alle zwei Wochen ein Psychiater ins Haus."
Gehalt wurde angepasst
Früher erhielten die Anstaltsärzte mit "A 13" zunächst nur das Einstiegsgehalt der Beamtenbesoldung und damit so viel Geld wie ein Regierungsrat. "Das war für die Ärzte natürlich nicht interessant", sagt Weßels.
Inzwischen sei das Gehalt denen von Krankenhausärzten angepasst worden. Aber auch das hat den Engpass bei den Gefängnisärzten nicht behoben.
"Viele junge Ärzte wissen gar nicht, dass es auch eine Laufbahn in der Vollzugsmedizin gibt", sagt Oliver Weßels.
Die Arbeit als verbeamteter Anstaltsarzt habe viele Vorteile, meint der Leiter: Kein Bereitschaftsdienst, eine 40-Stunden-Woche, die Verbeamtung und regelmäßiges Geld. "Gefängnismedizin ist ein Berufsfeld mit Perspektive", sagt Weßels.