SARS-CoV-2

Ampel debattiert über Corona-Maßnahmen im Herbst

Am Pfingstwochenende ist die Diskussion über eine Vorbereitung von Corona-Maßnahmen im Herbst wieder hoch gekocht. In der Ampel knirscht es kräftig zwischen Grünen und FDP.

Veröffentlicht:
In Sachen Planung der Corona-Maßnahmen im Herbst sind der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) am Wochenende aneinandergeraten.  [M] Frederic Kern | Sebastian Gabsch / Geisler-Fotopress / picture alliance

In Sachen Planung der Corona-Maßnahmen im Herbst sind der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) am Wochenende aneinandergeraten. [M] Frederic Kern | Sebastian Gabsch / Geisler-Fotopress / picture alliance

© [M] Frederic Kern | Sebastian Gabsch / Geisler-Fotopress / picture alliance

Berlin. Die Debatte um Corona-Maßnahmen für den Herbst gewinnt an Schärfe. Grünen-Chef Omid Nouripour forderte eine rasche Änderung des Infektionsschutzgesetzes, um für die kältere Jahreszeit gewappnet zu sein – dafür hatte sich am Samstag auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) ausgesprochen. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki erinnerte daraufhin daran, dass es einen gesetzlichen Auftrag gebe, Corona-Maßnahmen zunächst fachgerecht zu beurteilen. Nur auf der Grundlage eines entsprechenden Berichts könnten evidenzbasierte Entscheidungen getroffen werden.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) kritisierte am Sonntag auf Twitter: „Einige in der Politik suchen gezielt Streit zum Thema Corona, um sich zu profilieren. Das ist unseriös.“ Die Ministerpräsidentenkonferenz habe den gesetzlichen Fahrplan akzeptiert: „Erst evaluieren, dann entscheiden.“

Nouripour sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Sonntag, Print Dienstag): „Wir brauchen eine Einigung, so schnell es geht. Je früher wir auf den Herbst vorbereitet sind, desto besser ist es. Länder und Kommunen brauchen einen Vorlauf.“ Es gehe darum, die Fehler der vergangenen beiden Jahre nicht zu wiederholen. „Der Sommer darf nicht ungenutzt verstreichen“, betonte Nouripour.

Nur Basisschutz gilt aktuell weiter

Mit dem geänderten Infektionsschutzgesetz sind seit Anfang April allgemeine Maskenpflichten für Veranstaltungen oder beim Einkaufen sowie 2G- und 3G-Zugangsregelungen weggefallen. Vorerst gilt ein „Basisschutz“ – etwa mit Maskenpflichten in Bussen, Bahnen, Kliniken, Praxen und Pflegeheimen. Unabhängig von staatlichen Vorgaben gibt es aber vielerorts, etwa in Kultureinrichtungen, auch weiter Schutzregeln mit Maskenpflichten. Die derzeit geltende Fassung des Gesetzes läuft bis zum 23. September. Der Deutsche Städtetag hatte eine Anpassung des Gesetzes noch vor der Sommerpause des Bundestags gefordert, um auf Corona im Herbst vorbereitet zu sein.

Nouripour erklärte: „Man muss die Maßnahmen steigern können, wenn sich eine Notlage entwickelt. Das beginnt mit der Maskenpflicht und Abstandsregeln und geht weiter mit Zugangsregeln wie 3G, also für Geimpfte, Genesene und Getestete.“ Nötig sei eine Rechtsgrundlage, die so angepasst sei, dass das Notwendige vor Ort gemacht werden könne. „Stand jetzt haben wir dann nicht einmal eine rechtliche Grundlage für eine Maskenpflicht“, sagte der Grünen-Vorsitzende.

Streit unter Bundestagsvizepräsidenten

Auch Göring-Eckardt hatte Vorbereitungen für den Herbst gefordert - und die FDP ermahnt, dabei nicht zu bremsen. Kubicki sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es ist einer Bundestagsvizepräsidentin unwürdig, den Eindruck zu erwecken, als könne der Bundestag nicht schnell genug auf Herausforderungen der Pandemie reagieren.“ Er empfehle den Grünen, zu einer faktenbasierten Politik zurückzukehren, statt weiter „eine angstbasierte Politik“ zu betreiben.“ Sowohl Kubicki als auch Göring-Eckardt sind Bundestagsvizepräsidenten.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen teilte mit: „Wenn etwas unwürdig ist, dann ist es die abwartende Haltung von Herrn Kubicki. Alle Koalitionspartner haben eine Verantwortung zur Vorsorge.“ Das Prinzip Hoffnung sei in einer Pandemie verantwortungslos. Es gelte, jetzt vorzubeugen, damit im Herbst und Winter nicht wieder alles heruntergefahren und geschlossen werden müsse. „Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass wir vorausschauend handeln und nicht die Hände in den Schoß legen. Vorsorge heißt, dass wir in der nächsten Welle schnell handlungsfähig sind. Wir sollten bald Maßnahmen beschließen, die im Fall einer Verschlechterung der Lage umgesetzt werden können.“

Gassen: Erst überprüfen, dann beschließen!

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, forderte die Ampelkoalition auf, vor der Festlegung neuer Corona-Maßnahmen für den Herbst die Wirksamkeit der bisherigen Schutzkonzepte zu überprüfen. „Vor einer Festlegung auf Maßnahmen muss zunächst einmal eine Evaluation erfolgen. Was haben die ergriffenen Maßnahmen der vergangenen mehr als zwei Jahre gebracht?“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag).

Hingegen warf Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der Ampel vor, wertvolle Zeit zu vergeuden. „Statt die Dinge zu regeln und reibungslose Abläufe zu ermöglichen, stiftet die sogenannte Ampel in Berlin Verwirrung, Verunsicherung und Stillstand“, sagte er dem RND.

Der Bundestag hat im Infektionsschutzgesetz festgelegt, dass es eine externe Beurteilung der Vorgaben im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geben soll. Dafür wurde ein Sachverständigenausschuss eingesetzt, der laut Gesetz bis zum 30. Juni einen Bericht vorlegen soll. Dem Gremium gehören Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat kürzlich bereits erklärt, er plane umfassende Vorkehrungen für eine voraussichtlich wieder angespanntere Corona-Lage nach dem Sommer. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Der positive Jahresrückblick

Diese guten Nachrichten gab es 2024 im Gesundheitswesen

Leitartikel zu Impfvereinbarungen

Impfungen von der STIKO zur Regelversorgung: Zwei Schleifen zu viel

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 07.06.202218:19 Uhr

Der Bundestag hat im Infektionsschutzgesetz festgelegt, dass es eine externe Beurteilung der Vorgaben im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geben soll. Dafür wurde ein Sachverständigenausschuss eingesetzt, der laut Gesetz bis zum 30. Juni einen Bericht vorlegen soll. Schon jetzt ist klar, dass das formal und inhaltlich gar nicht zu schaffen ist.

Invalide Datengrundlagen, Bund-Länder-Chaos, Kompetenzgerangel, Hin-und-Her der verantwortlichen Modellierer und Entscheider, Untererfassung, EDV-Notstand bei den Gesundheitsämtern, lückenhaft-widersprüchliche Anti-Corona-Apps, Überbewertung, Grauzonen und wissenschaftlich verbrämte Glaubensbekenntnissen (vgl. NO-/ZERO-Covid). Die Personaldecke ist dünn, seit Prof. Christian Drosten ausgestiegen ist.

Ausgerechnet Dr. Klaus Stöhr als Nachrücker zu benennen, macht die Sache nicht besser. Er ist eher der permanente "Downgrader" und "Downsizer" im Gegensatz zu
Bundesgesundheitsminister, Prof. Karl Lauterbach (SPD) und Prof. Christian Drosten.

Ministeriell wurde bereits erklärt, umfassende Vorkehrungen für eine voraussichtlich wieder angespanntere Corona-Lage nach dem Sommer zu planen.

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, Facharzt für Allgemeinmedizin in Dortmund

Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel zu Impfvereinbarungen

Impfungen von der STIKO zur Regelversorgung: Zwei Schleifen zu viel

Der positive Jahresrückblick

Diese guten Nachrichten gab es 2024 im Gesundheitswesen

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025