Kommentar
Die Harmonie zeigt Risse
Im Saarland knirscht es gefährlich zwischen Haus- und Fachärzten.
Veröffentlicht:Die Ärzteschaft im Saarland wurde bisher auch bundesweit als Hort von Harmonie und Zusammenhalt bewundert. „Außerordentlich dankbar für die große Geschlossenheit in den Gremien unserer Selbstverwaltung“ – so blickte denn auch der allseits angeseheneKammerchef Josef Mischo auf seine Amtszeit zurück. Doch dieses Erbe, an dem er als Moderator großen Anteil hatte, könnte auch schnell verspielt sein. In immer kürzeren Abständen häufen sich die Warnzeichen.
Am auffälligsten äußert sich dies in einem ebenso selbstbewussten, wie riskanten Kurs des Facharztforums gegenüber dem Hausärzteverband. Bei der Wahl des KV-Vize blockierten die Fachärzte einen ihnen nicht genehmen Kandidaten– und beteuerten, dies habe rein persönliche Gründe. Nächste Etappe: Bei der Verabschiedung eines neuen HVM, der die Fachärzte vor unbezahlter Mehrarbeit bewahren soll, setzte man sich recht rasch über Bedenken der Hausärzte hinweg. Diese müssen voraussichtlich den absehbaren Patientenärger weitgehend alleine ausbaden.
Und nun wieder eine krasse Aktion im personellen Bereich, wo man sich normalerweise nicht in den Garten geht. Offenbar wurde von außen ein Keil in die hausärztliche Kammer-Vertreterschaft getrieben. Deren bisheriges Vorstandsmitglied wurde ermuntert, den vor Monaten angekündigten Rückzug wieder zu revidieren – eine potenzielle Nachfolgerin, die sich seither eingearbeitet hatte, und der hinter ihr stehende Verband wurden düpiert. Die Strippenzieher trauten sich noch nicht einmal, ihre umgestimmte Kandidatin selbst vorzuschlagen und damit aus dem Halbdunkel zu treten.
„Unterschiedliche Sichtweisen werden offen angesprochen, ausdiskutiert und das gemeinsam erreichte Ergebnis dann auch von allen mitgetragen“ – so rühmte Mischo in einem Abschieds-Editorial die saarländische Praxis. Doch das scheint Vergangenheit zu sein. Ob die Versuchung, den Hausärzten immer wieder mal eine auszuwischen, auf längere Sicht wirklich klug ist – diese Frage müssen die Fachärzte selbst beantworten. Denn eines ist sicher: Der Politik werden Polarisierungstendenzen nicht verborgen bleiben.Schreiben Sie dem Autor: GP@springer.com