Die moderne Arbeitswelt fordert ihren Tribut
Zeitdruck, Verantwortung und komplexe Aufgaben können Arbeitnehmer auf Dauer krank machen. Vor allem dann, wenn die Tätigkeit nicht wertgeschätzt wird - davor warnt die Bundespsychotherapeutenkammer.
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Der Druck wächst: Immer mehr Arbeitnehmer werden durch die Belastung am Arbeitsplatz psychisch krank. © INSADCO / imago
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BERLIN. Die Arbeitswelt ist in den letzten 20 Jahren komplexer geworden. Aber nicht alle Arbeitgeber haben sich auch darauf eingestellt - und verlangen von ihren Arbeitnehmern, dass sie teilweise ohne Pause komplexe Aufgaben mit viel Verantwortung erledigen.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) warnte in Berlin davor, dass dies zu seelischen Belastungen - und immer häufiger auch zu psychischen Erkrankungen - führen kann. Eine Studie der BPtK belegt, dass Arbeitnehmer immer häufiger aufgrund von psychischen Erkrankungen arbeitsunfähig sind. "Erwerbestätige entwickeln überdurchschnittlich häufig bei der Kombination aus hohen Anforderungen und geringem Einfluss auf den Arbeitsprozess psychische Erkrankungen", betonte Richter. Es sei besonders problematisch, wenn ein gravierendes Ungleichgewicht zwischen dem Einsatz im Beruf ("Verausgabung") sowie Entlohnung und Anerkennung bestehe. Dabei sei das Gehalt nur ein Faktor, wichtig sei vor allem die Wertschätzung der Person, aber auch Aufstiegschancen sowie die Sicherheit des Arbeitsplatzes.
Der Arbeitnehmer dürfe vor allem nicht das Gefühl haben, dass die Arbeitsprozesse sich seiner Steuerung entziehen. "Mitarbeiter im Callcentern setzen sich zum Beispiel im Minutentakt mit unzufriedenen Kunden auseinander", so Richter. Das ständige Gefühl nichts daran ändern und den von außen gesetzten Anforderungen nicht gerecht werden zu können, machten krank. Psychisch gesund bleibe derjenige, der das Gefühl habe, Einfluss auf seine Tätigkeitsabläufe zu haben und sein Arbeitseinsatz angemessen honoriert werde - durch Anerkennung, aber auch Vergütung.
"Arbeitnehmer in Deutschland erkranken am häufigsten an Depressionen", sagte Thomas Bär, Wissenschaftlicher Referent der BPtK. Depressionen verursachten eine längere Krankschreibung als bei anderen psychischen Erkrankungen und zögen hohe volkswirtschaftliche Kosten nach sich. Ein depressiv Erkrankter fehle etwa 35 bis 50 Tage am Arbeitsplatz. Problematisch sei, dass trotz öffentlicher Debatten depressive Erkrankungen für Patienten immer noch ein Stigma sind. "Für die wirksame Therapie einer Depression ist es entscheidend, dass sie frühzeitig erkannt wird", so BPtK-Chef Richter. Die Nationale Versorgungsleitlinie empfehle, dass Patienten mit Depressionen auch psychotherapeutisch behandelt werden. "Psychotherapie ist anhaltend und wirkt längerfristig ", betonte Richter.
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