Studie des ifo-Instituts

Kranken- und Pflegeversicherung: Ausweitung der Beitragspflicht reicht nicht aus

Rente, Pflege, Krankheit: Die Sozialsysteme stehen unter großem finanziellen Druck. Laut ifo-Institut reicht es nicht aus, einfach die Einnahmeseite zu verbreitern und Zins- und Miteinnahmen zu verbeitragen. Was aber hilft dann?

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Piktogramme verschiedener Menschen

Der viel zitierte demografische Wandel stellt die Sozialsysteme vor erhebliche Herausforderungen – die Politik ringt um Antworten.

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Berlin. Seit Monaten fragen sich Krankenkassenvertreter und Leistungserbringer, wie sie aussehen mögen – die langfristigen Finanzierungspläne der Ampelkoalition bei Krankheit und Pflege. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist eine Antwort darauf bislang schuldig geblieben.

Die Pflegereform der Ampel verschafft nur Zeit für kurzes Luftholen in der sozialen Pflegeversicherung. Und für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) liegt bis dato kein weiterer Gesetzesvorschlag des Gesundheitsministers vor – es gibt nur die Ankündigung Lauterbachs, dass es ohne erneute Anhebung des Zusatzbeitragssatzes wohl nicht gehen werde.

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Demografie mit großen Folgewirkungen

Der Druck im Kessel aber steigt. „Der demografische Wandel setzt die Renten- und Pflegeversicherung unter Druck. In der gesetzlichen Krankenversicherung führt der technische Wandel zu stetig höheren Gesundheitsausgaben“, heißt es dazu in einer aktuellen Studie des Münchner ifo-Instituts. Die Wissenschaftler gehen darin der Frage nach, wie sich die Sozialsysteme zukunftssicher aufstellen lassen – trotz der genannten Herausforderungen.

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Für alle drei Sozialsysteme fällt der Befund des Instituts eindeutig aus: Eine Ausweitung der Beitragspflichten reiche nicht, um die Sozialversicherungssysteme langfristig zu finanzieren, heißt es in der Studie. „Aktuell wird eine Ausweitung der Beitragspflicht auf alle Einkunftsarten diskutiert, also auch auf Zins-, Gewinn- und Mieteinnahmen. Die dadurch erzielbaren Mehreinnahmen wären jedoch verschwindend gering“, sagt Joachim Ragnitz von der Niederlassung des ifo-Instituts in Dresden.

Leises Votum gegen die Bürgerversicherung

Bei der gesetzlichen Rentenversicherung würden die Mehreinnahmen lediglich 5,6 Milliarden Euro ausmachen – bei Gesamtausgaben in Höhe von 341 Milliarden Euro. In der gesetzlichen Krankenversicherung wären die zu erzielenden Mehreinnahmen mit 5,3 Milliarden Euro angesichts der Gesamtausgaben von rund 275 Milliarden Euro „zu vernachlässigen“, so die Forscher. Grund dafür sei, dass sozialversicherungspflichtig Beschäftigte „typischerweise nur geringe zusätzliche Einnahmen“ aufwiesen.

Zugrunde liegt den Berechnungen das „Sozio-oekonomische Panel“. Dabei handelt es sich um eine jährliche repräsentative Haushaltsbefragung von rund 60.000 Personen in 30.000 Haushalten. Das ifo nutzte Daten der Befragungswelle 2020, die detaillierte Informationen für das Einkommensjahr 2019 sowie Informationen zum Sozialversicherungsstatus enthielten. „Unser Sample umfasst alle Individuen ab 16 Jahren, die in einem Privathaushalt leben und für die Daten aus einem eigenen Interview vorliegen“, heißt es in der Studie.

Anpassungen auf der Ausgabenseite nötig

Ein Ergebnis: „Höhere Einnahmen ließen sich erzielen, wenn die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft würde oder weitere Personengruppen in die Sozialversicherungspflicht einbezogen würden“, sagt ifo-Forscher Ragnitz. Allerdings stiegen dann – zumindest in der Rentenversicherung – mittelfristig auch die Zahlungsansprüche.

„Ein Beitrag zur Erhöhung der Nachhaltigkeit der Rentenversicherung ist das also nicht.“ Marcel Thum, Leiter der ifo Niederlassung Dresden, ergänzt: „Um die Sozialversicherungssysteme demografiefest zu machen, führt kein Weg an Anpassungen auf der Ausgabenseite vorbei.“ (hom)

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