Honorarkompromiss 2019

Gassen: "Wir müssen realistisch bleiben"

KBV und GKV-Spitzenverband haben sich auf wesentliche Punkte für das Honorar 2019 geeinigt. Beide Seiten betonen: Der Kompromiss bestätigt den Stellenwert der Selbstverwaltung.

Veröffentlicht:
Dr. Andreas Gassen zum Honorar 2019: Das Verhandlungsergebnis ist nicht so, dass alle Seiten vor Begeisterung in die Hände klatschen - aber das ist nun mal das Wesen eines Kompromisses.“

Dr. Andreas Gassen zum Honorar 2019: Das Verhandlungsergebnis ist nicht so, dass alle Seiten vor Begeisterung in die Hände klatschen - aber das ist nun mal das Wesen eines Kompromisses.“

© springer medizin Stepanie Pilick

BERLIN. Nach der Einigung von KBV und GKV-Spitzenverband im Erweiterten Bewertungsausschuss steigt der Orientierungswert im kommenden Jahr wie berichtet um 1,58 Prozent.

Das entspricht einer Summe von rund 550 Millionen Euro. Doch KBV-Chef Dr. Andreas Gassen geht davon aus, dass am Ende knapp zwei Prozent herauskommen.

Gassen erwartet eine weitere Steigerung um 0,3 Prozent durch Berücksichtigung der sogenannten Veränderungsrate, bei der die Entwicklung der Morbidität und der Demografie bewertet wird.

Im KBV-Interview sagte er, dass hier die finalen Ergebnisse noch ausstünden. Schätzungen gehen in Summe bislang von plus 70 Millionen Euro aus.

Zusätzlich hat die Kassenseite anerkannt, dass Hygienevorschriften und die Datenschutzgrundverordnung den Praxen Kosten verursache. Das Institut des Bewertungsausschusses wurde damit beauftragt, den Aufwand zu ermitteln.

Die von der KBV vorgelegten Daten habe die Kassenseite nicht akzeptiert, sagte Gassen. Sobald die Ergebnisse vorlägen, so Gassen, sollten dann auch „finanzwirksame Beschlüsse“ folgen.

Mehr Verhandlungsspielraum im TSVG?

Völlig zufrieden zeigte sich Gassen zwar nicht. Er könne den Frust von Kollegen verstehen, die sich viel größere Steigerungen wünschen.

"Es ist schon immer etwas frustrierend, wenn man die zähen Verhandlungsrunden sieht. Man muss aber auch realistisch bleiben", sagt er.

Die jährliche Orientierungswertrunde sei keine echte Honorarverhandlung, um Fehl- und Unterbewertungen etwa im EBM zu kompensieren. Das sei in Anbetracht der gesetzlichen Vorgaben zur Steigerung des Orientierungswerten hier gar nicht nicht möglich.

Gassen sieht in diesem Punkt eher Chancen im geplanten TSVG und betonte, die Entbudgetierung weiter vorantreiben zu wollen. Die von der KBV geforderte Endbudgetierung der Grund- und Versichertenpauschalen sei dazu ein erster Anfang.

Der Orientierungswert für 2019 beträgt 10,8226 Cent, in diesem Jahr 10.6543 Cent. Binnen fünf Jahren gab es ein Plus von 6,8 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).

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GKV: Guter Zuwachs für Ärzte

Nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes bedeutet das Verhandlungsergebnis einen guten Zuwachs für die Ärzte. Zugleich werde der Beitragszahler damit nicht überfordert.

Verbandssprecher Florian Lanz stellte gegenüber der "Ärzte Zeitung" am Mittwochvormittag klar, dass sich seine Aussage zu weiteren 400 Millionen Euro für die Ärzte auf den erwarteten Mengenanstieg durch nicht budgetierte Leistungen bezogen habe, also auf den extrabudgetären Vergütungsanteil, der zum Beispiel durch nicht vorhersehbare Operationen und Vorsorgeuntersuchungen anfalle. "Wir erwarten, dass dieser Posten steigt", sagte Lanz.

Gassen: "Selbstverwaltung funktioniert!"

Gespräche in Verhandlerkreisen machen deutlich, dass hinter der überraschend zügigen Einigung auf neue Eckpunkte für die Honorierung auch der Einfluss des neuen Gesundheitsministers steckt.

Jens Spahn (CDU) hat im Entwurf des TSVG viele kleinteilige und detailverliebte Regelungen untergebracht, die die Autonomie der Selbstverwaltung beschneiden könnten.

"Jetzt kann Spahn nicht mehr ohne Weiteres behaupten, dass die Selbstverwaltung es nicht hinkriegt", hieß es am Mittwochvormittag in Verhandlerkreisen.

Auch Gassen hatte mit Blick auf den Gesetzgeber in seinem Interview zum aktuellen Honorarkompromiss hervorgehoben: "Wir haben eine funktionierende Selbstverwaltung, es macht keinen Sinn, diese weiter einengen zu wollen.". (af/run)

Lesen Sie dazu auch: Kommentar: Überraschend schnell geeinigt Siebenstündige Verhandlungen: Honorar-Einigung erzielt!

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Kommentare
Dr.med. Henning Fischer 24.08.201812:04 Uhr

Gassen: "Wir haben eine funktionierende Selbstverwaltung"

genau:

die Funktionäre bekommen traumhafte Honorare, die Selbstverwaltung nährt sich prächtig!

Weiter so!

Dr. Thomas Georg Schätzler 24.08.201811:28 Uhr

KBV-Dramoulette - Man kann es drehen und wenden, wie man will...

...doch dem Vorsitzenden Dr. med. Andreas Gassen wie auch dem gesamten Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) fehlen elementare betriebswirtschaftliche Kenntnisse und tariflich-taktisches Verhandlungsgeschick.

Zur Begründung:
- Wie von KBV und GKV-Spitzenverband vereinbart, steigen allein der Orientierungswert für 2019 um 1,58% und alle anderen Leistungen nicht.
- Nur eine wundersame Geldvermehrung kann dazu führen, dass laut KBV-Chef am Ende knapp zwei Prozent herauskommen.
- Großspurig angekündigte "Steigerungen" von 0,3% wegen demografischer Morbiditätsentwicklung bedeuten zu 99,7% unbezahlte Mehrarbeit.
- Praxis-Mehrkosten für Hygienevorschriften und DSGVO (Datenschutzgrund-Verordnung) konnten nicht ermittelt und konsentiert werden.
- Eine KBV-"Erfolgs"-Bilanz mit einem Plus von 6,8 Prozent in fünf Jahren bedeutet lächerliche 1,36% pro Jahr.
- Die Behauptung des Kollegen Gassen: "Selbstverwaltung funktioniert" wird durch neue finanzielle Eckpunkte für die Honorierung z. B. der Hausärzte unter dem Einfluss des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) und seinem Entwurf eines Termin Service- und Versorgungsgesetzes (TSVG) konterkariert. Eine weitgehende Unfähigkeit der Selbstverwaltungs-Autonomie wird damit konstatiert.

Die KBV führt hier jährlich frei nach Peter Handke als Dramoulette eine "Vertragsarzt-Beschimpfung" im Sinne einer Publikumsbeschimpfung auf:
Vertragsärztinnen und Vertragsärzte werden finanziell in Haftung genommen für
- das steigende Morbiditätsrisiko,
- den demografischen Faktor bei unseren Patientinnen und Patienten,
- die erhöhten Inanspruchnahmen in Not-, Nacht- und Wochenenddiensten,
- die von GKV-Kassen induzierten "all-you-can-eat" und "flatrate"-Manieren,
- den bio-psycho-sozialen, medizinisch-industriell-pharmazeutischen Fortschritt,
- die unterschiedlichen Bewertungskriterien in Klinik und Praxis
- das "kostenlose" 2. Meinungsverfahren bei geblockter Gesamtvergütung
- unsere geleisteten Labor-Mehraufwendungen bei gedeckelter Budgetierung,
- unsere Mehraufwendungen für Bürokratie, Verwaltung und Juristisches.

So lange die KBV nicht die fachspezifischen Regelleistungsvolumina (RLV) für die 3-monatige Quartals-24-H-Versorgung bei Haus- und Fachärzten drastisch anhebt, gibt es keine betriebswirtschaftlich begründete Rationale für unsere umfassende vertragsärztliche Leistungsbereitschaft - Gestern, Heute und Morgen nicht.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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