Bericht der Bundesregierung vorgestellt

Gleichwertigkeitsbericht: Bei Gesundheit liegen Welten zwischen Stadt und Land

Der erste Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung ist ein Temperaturfühler dafür, wie unterschiedlich Menschen in Deutschland ihre Lebensverhältnisse wahrnehmen. Das gilt auch für die medizinische Versorgung.

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Der Gleichwertigkeitsbericht sei ein wichtiges „Kompendium für die Frage, wie es Deutschland geht“, sagte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck bei der Vorstellung der Studie.

Der Gleichwertigkeitsbericht sei ein wichtiges „Kompendium für die Frage, wie es Deutschland geht“, sagte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck bei der Vorstellung der Studie.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Die Zufriedenheit der Bürger mit der medizinischen Versorgung schwankt in Deutschland stark. Das geht aus dem ersten Bericht der Bundesregierung zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Es handele sich dabei um ein wichtiges „Kompendium für die Frage, wie es Deutschland geht“, sagte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin. Der Bericht mache deutlich, dass die Unterschiede zwischen den Regionen bei einer Mehrheit der untersuchten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Indikatoren in den vergangenen Jahren abgenommen habe. „Die Schere schließt sich“, sagte Habeck.

Den Angaben zufolge nähern sich 27 von insgesamt 38 Gleichwertigkeitsindikatoren an. Zu diesen zählen demnach das kommunale Steueraufkommen, die Arbeitslosenquote, die Zahl der Straftaten, die Geburtenrate und Lebenserwartung, die Erreichbarkeit des nächsten Supermarkts und der Anteil der Waldfläche an der Gesamtfläche der 400 Kreise und kreisfreien Städte.

31.000 Interviews mit zufällig ausgewählten Bürgern

Weiter auseinanderentwickelt haben sich die Regionen dagegen, was den Anteil von Fachkräften und Experten an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten angeht. Auch bei der Wohngebäudedichte, dem Verhältnis von Kindern zu Kitaplätzen, dem Anteil der Einpersonenhaushalte und dem Altenquotienten wuchsen die Unterschiede. Keine statistisch relevante Veränderung gab es, was die Unterschiede bei der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen (sogenannter Gender Pay Gap), die Bevölkerungsentwicklung, vorzeitige Sterblichkeit und die Dichte an Hausärzten betrifft.

Für den Bericht wurden nicht nur Daten erhoben, sondern auch rund 31.000 Interviews mit zufällig ausgewählten Bürgern über 18 Jahre geführt. Die Menschen seien gefragt worden: „Wie nehmt ihr die Gleichwertigkeit wahr“, sagte Habeck. Die Infrastruktur vor Ort sei von herausragender Bedeutung für die Frage, „wie gerecht es im Land zugeht“, so der Vizekanzler.

Die medizinische Versorgung mit grundversorgenden Fachärzten in der Region bewerten bundesweit nur 44 Prozent der Befragten als gut. Die Zustimmungsrate bei den Antworten auf die Frage, ob die Versorgung in der Region gut sei, variiert dabei massiv: Überwiegende Zustimmung kommt von 64 Prozent der Bürger in Großstädten. Doch in dünn besiedelten Gebieten stimmen nur sechs Prozent der Befragten dieser Aussage zu. In städtischen Regionen halten 34 Prozent der Befragten die medizinische Grundversorgung für gut. Erwartbar sind auch die Unterschiede mit Blick auf die Erreichbarkeit von Einrichtungen der medizinischen Versorgung gemessen in Pkw-Minuten. Auf dem dünnbesiedelten Land sind es rund zehn Minuten, in der Großstadt dagegen fünf Minuten.

Lebensverhältnisse und Lebenszufriedenheit korrelieren stark

Ähnlich sieht es bei der Frage nach der Versorgung mit Krankenhäusern aus: Auch hier stimmen nur 13 Prozent der Befragten auf dem Land der Aussage zu, die stationäre Versorgung sei gut. Den Gegenpol bilden wiederum die Befragten in Großstädten: Dort signalisieren 57 Prozent ganz überwiegend Zustimmung auf die Frage, ob die Krankenhausversorgung gut sei.

Deutlich wird im Bericht, wie eng die Lebensverhältnisse Ort mit der Lebenszufriedenheit zusammenhängen. Auf einer Skala von 0 („ganz und gar unzufrieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) liegt der bundesweite Mittelwert bei 6,8. Lebenszufriedenheit korreliert dabei laut Bericht mit dem Alter (je älter, desto zufriedener) und mit der finanziellen Situation des Haushalts (je höher das Haushaltsnettoeinkommen, desto zufriedener). Generell sei die Lebenszufriedenheit in Ostdeutschland sowie in strukturschwachen Regionen „im Schnitt etwas geringer“.

Der Bericht lasse erkennen, dass es sich bei der „Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen“ um einen politischen Begriff handele, so Habeck. In etlichen Fällen sei die subjektive Wahrnehmung der Bürger besser als die tatsächliche Lage – oder auch umgekehrt.

Veröffentlicht werden zudem regional aufgeschlüsselte Daten zum sogenannten Gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen (GFS), das seit 2020 Kern der Gleichwertigkeitspolitik der Bundesregierung ist. Den Angaben zufolge lag das GFS-Fördervolumen 2022 bei 4,2 Milliarden Euro. Knapp mehr als die Hälfte der Mittel sei 2022 in den ostdeutschen Kreisen eingesetzt worden. Relativ hohe Pro-Kopf-Zahlungen gab es demnach auch in strukturschwachen Regionen Norddeutschlands, im Ruhrgebiet, in Rheinland-Pfalz, im Saarland und entlang der bayerischen Grenze zu Tschechien. (dpa/fst)

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