Köhlers Ironie
Hitler und Merkel bei der Weihnachtsfeier
Der KBV-Chef in der Bredouille: Auf der Weihnachtsfeier nennt er Angela Merkel und Adolf Hitler in einem Atemzug. Jetzt sagt er: Das war alles nicht so gemeint.
Veröffentlicht:BERLIN. Weihnachtsfeiern bringen so ihre Eigenheiten mit sich, vor allem dann, wenn sie auch noch einen dienstlichen Hintergrund haben. Die Sekretärin tanzt auf dem Tisch, über die neue Affäre des Kollegen mit einer anderen Kollegin wird getuschelt, und zu guter Letzt zieht der Chef auch noch makabere Komik vom Leder.
Und all das, wo es doch immer ein bisschen kriselt in der Firma, die letzte Gehaltserhöhung nicht gekommen ist, zwei Abteilungen sich gegenseitig bekriegen und überhaupt das ganze Haus gerade umgekrempelt wird - samt Personaleinsparung und Entbürokratisierung.
So oder ähnlich dürfte es auch manchem dieser Tage in der KBV vorkommen, denn die dortige Weihnachtsfeier war eine Bescherung der ganz besonderen Art.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte einige Hundert Mitarbeiter und Gäste zum Jahresausklang versammelt, als ihr Chef Dr. Andreas Köhler folgendes sprach: "Julius Cäsar, Karl der Große, Napoleon, Adolf Hitler, Angela Merkel - die Liste der Staatsleute, die versuchten, Europa zu einigen, ist sehr lang. Und stets scheiterten die Bemühungen an folgendem: Niemand kann sich vorstellen, zusammen in ein und demselben Haus Europa zu wohnen."
Berichtet hat das die "Welt" unter dem pompösen Titel: "Ärztechef stellt Merkel in eine Reihe mit Hitler". Dementiert hat das Zitat bislang niemand, weder Köhler noch sein Sprecher.
Warum, so die Frage, stellt der Chef einer Körperschaft des öffentlichen Rechts die amtierende Regierungschefin mit einem deutschen Diktator in eine Reihe? Oder, fragen sich böse Zungen, wollte er ernsthaft einen Vergleich zwischen dieser und jenem anstellen?
War es der Glühwein, wie der Linken-Politiker Harald Weinberg in der "Welt" vermutete? War es ein "geschmackloser, idiotischer Vergleich" wie SPD-Mann Karl Lauterbach in dem Blatt meinte, oder war es doch eher der von Grünenpolitikern Biggi Bender bezeichnete "eklatante Fehlgriff"? Womöglich war es von allem etwas - zumindest von letzteren beiden.
Für Köhler selbst war es wohl nicht mehr als eine rhetorische Figur, schlicht Ironie. "Die Ansprache auf einer Mitarbeiter-Weihnachtsfeier beschäftigte sich in ironischer Art und Weise mit einem Vergleich der Dezernate der KBV mit europäischen Ländern", ließ er auf Anfrage mitteilen.
Ihm ging es um den Vergleich der KBV mit Europa. Schon das sei vermessen, mögen manche meinen. Doch in der Sache war Köhlers Frage diese: Wie soll man ein großes Ganzes schaffen, wenn alle nur in ihren Egoismen weilen?
Was in Europa die Nationalstaaten sind, nennt sich in der KBV Dezernat. Derer gibt es immerhin acht, zuzüglich einer Rechtsabteilung, diverser Referate und Stabsstellen. Und wie es in Europa zum guten politischen Ton gehört, sind zwar alle für das große Projekt, aber nur solange ihre Macht nicht noch weiter beschnitten wird.
Auch die KBV steht offenbar vor dem Europa-Dilemma. Sie will ihre Strukturen verschlanken, sich reorganisieren, Dezernate zusammenlegen - ein Projekt, bei dem gehobelt wird. Und dann fallen Späne.
In der Vergangenheit sind ähnliche Reformanläufe im Sande verlaufen. Im kommenden Jahr will der Vorstand einen neuen Versuch wagen. Und so muss sich Köhler gedacht haben, präsentiert er seinen Mitarbeitern doch schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das Projekt "Europa".
Doch die Rechnung hat der Wirt ohne die Gäste gemacht. Schließlich muss es der Zuträger des Köhlerzitates ein solcher gewesen sein. Die "Welt" zitiert einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter mit den Worten: "Dieser Vergleich hat viele von uns geschockt."
Und: "Als der Name Adolf Hitler in einem Atemzug mit Angela Merkel fiel, ging ein Raunen durch den Saal." Da war sie dann wohl dahin, die Weihnachtsstimmung.
Auch KBV-Chef Köhler zweifelt nun an seinem historischen Abriss: "Offenbar - und das zu meinem großen Bedauern - ist die Ironie nicht von allen verstanden worden." Anders könne er es sich nicht erklären, dass ein "aus dem Zusammenhang gerissenes, unvollständiges Zitat an die Medien lanciert worden ist".
Und so hilft ihm nur ein kleines mea culpa: "Ich betone ausdrücklich, dass ich das politische Wirken von Frau Merkel für ein friedliches Europa ausdrücklich begrüße." (nös)