Präventionsbericht

Kassen heben Ausgaben auf Rekordwert

Die Kassen präsentieren im Präventionsbericht 2016 ein Zahlenfeuerwerk. Doch auch Strukturprobleme werden deutlich.

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Trotz hoher Ausgaben: Insbesondere bei Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten erreichen die Kassen den Zielwert des Gesetzgebers nicht.

Trotz hoher Ausgaben: Insbesondere bei Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten erreichen die Kassen den Zielwert des Gesetzgebers nicht.

© Christian Ohde / dpa

BERLIN. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr mit 474 Millionen Euro einen neuen Höchststand erreicht. Pro Versichertem haben die Kassen laut dem am Mittwoch vorgestellten Präventionsbericht 6,64 Euro ausgegeben. Damit bleiben die Kassen hinter der Vorgabe des Präventionsgesetzes zurück, das sieben Euro Ausgaben für jeden Versicherten vorschreibt. Allerdings ist der Ausgabenzuwachs signifikant: 2015 betrug der Ausgabenwert noch 4,49 Euro.

Insbesondere bei Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten erreichen die Kassen den Zielwert des Gesetzgebers nicht. Zwar haben die Kassen mit rund 116 Millionen Euro ihre Ausgaben in diesem Handlungsfeld rund verdreifacht; dies entspricht 1,63 Euro je Versichertem. Das Präventionsgesetz fordert hier jedoch zwei Euro. Knapp 3,3 Millionen Menschen sind durch Gesundheitsförderung in "Lebenswelten" erreicht worden, 31 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Wegen der großen Zahl beteiligter Partner und dem Abstimmungsaufwand benötigten neue Projekte viel Zeit, heißt es im Bericht. Experten wie der Gesundheitswissenschaftler Professor Rolf Rosenbrock haben den Kassen in der Vergangenheit vorgeworfen, es fehle an einem abgestimmten Vorgehen: "Das sind zuweilen nur Flicken und nicht mal mehr ein Teppich." Die beiden am häufigsten erreichten Lebenswelten waren Kitas (25 Prozent) und Grundschulen (35 Prozent).

Erreicht haben die Kassen dagegen die Zielvorgaben bei der betrieblichen Gesundheitsförderung. Die Ausgaben von knapp 147 Millionen Euro entsprechen 2,06 Euro je Versichertem, das entspreche einem Zuwachs von 90 Prozent im Vergleich zu 2015. Die rund 1,44 Millionen Menschen wurden in mehr als 13.100 Betrieben erreicht (2015: 10.900). Kleine und Kleinstunternehmen sind dabei unterrepräsentiert. Mehr als ein Drittel der so erreichten Betriebe gehören zum verarbeitenden Gewerbe. Vor diesem Hintergrund ist die betriebliche Gesundheitsförderung auch das einzige Segment, in dem mehr Männer (63 Prozent) als Frauen erreicht werden. Selbstkritisch räumen die Kassen ein, dass nach wie vor nur ein kleiner Teil der Unternehmen erreicht wird. Um eine größere Breitenwirkung zu erreichen, müssten überbetriebliche Angebote genauso ausgebaut werden wie die regionale Vernetzung, heißt es im Bericht.

Den größten Ausgabenblock nehmen nach wie vor individuelle Präventionsangebote ein. Mit rund 211 Millionen Euro sind dort die Ausgaben um vier Prozent im Vergleich zu 2015 gestiegen. 1,67 Millionen Menschen haben im Vorjahr an solchen Kursen teilgenommen, ein fast unveränderter Wert. 81 Prozent der Kursteilnehmer waren Frauen. Bewegungsangebote (70 Prozent) und Kurse zur Stressbewältigung (26 Prozent) waren dabei die häufigsten Themen. An der Dominanz der Verhaltensprävention hat den neuen Zahlen nach das Präventionsgesetz bisher wenig ändern können.

Die Kassen heben im Bericht ihr gestiegenes Engagement in Prävention und Gesundheitsförderung hervor, erwähnen aber auch die Herausforderungen. Die lägen nämlich in der "Stärkung gemeinschaftlichen Vorgehens mit Lebensverantwortlichen in Kommunen". Kritiker des Präventionsgesetzes stellen in Frage, ob Kassen überhaupt die richtigen Akteure für Prävention in Lebenswelten sind. Gerade dort werde der Zielkonflikt deutlich, da Kassen als Unternehmen um junge und gesunde Versicherte konkurrieren.

Im Oktober hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen eingeräumt, dass die Umsetzung des Präventionsgesetzes nur mühsam vorankommt. Die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche kommentierte, anstelle eines kassenübergreifenden Vorgehens dominiere bei der Prävention weiter die "Projektitis". Im Juli 2019 soll ein Bericht der Nationalen Präventionskonferenz vorliegen, der eine erste Bilanz der Implementation zieht. Da der Bericht von den Sozialkassen selbst formuliert wird, schwant Schulz-Asche schon jetzt: "Es besteht die Gefahr, dass sich die Sozialversicherungen selbst beweihräuchern."(fst)

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