OECD-Gesundheits-Vergleich
Krise lässt Deutschland kalt
Gute Noten von der OECD: Bislang hat sich das deutsche Gesundheitswesen als krisenfest erwiesen. Herausforderungen gibt es aber in der Ärzteschaft.
Veröffentlicht:BERLIN/PARIS. Die Finanzkrise hat dem deutschen Gesundheitswesen nicht geschadet. Die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben blieben mit einer Zuwachsrate von jeweils 2,1 Prozent in den Jahren vor und nach der Krise stabil.
Anders sieht es in Ländern aus, die von der Finanzkrise hart getroffen wurden: In Griechenland sind die Gesundheitsausgaben um 11,1 Prozent gekürzt worden, in Irland um 6,6 Prozent, in Portugal um 2,2 Prozent.
Die Zahlen seien verblüffend, sagte OECD-Ökonom Michael Müller bei der Vorab-Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin. Sie stammen aus der aktuellen Ausgabe von "Gesundheit auf einen Blick", die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlicht.
Die Deutschen leben danach relativ gesund und sie leisten sich ein vergleichsweise teures Gesundheitswesen: 11,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes flossen in das Gesundheitswesen. Damit rangiert Deutschland weltweit nach den USA (17,7 Prozent), den Niederlanden (11,9 Prozent) und Frankreich (11,6 Prozent) auf Platz 4.
Zu den größten Ausgabeposten gehören die Kosten im stationären Sektor. Die Bettendichte liegt trotz eines zehnprozentigen Rückgangs zwischen 2000 und 2011 mit 8,3 Betten auf 1000 Einwohner weit über dem OECD-Durchschnitt von fünf Betten auf 1000 Einwohner.
Auf tausend Einwohner kommen hierzulande 244 Behandlungen im Krankenhaus. Nur Österreich liegt mit 273 Fällen darüber, der OECD-Durchschnitt ist bei 156.
Deutsche Patienten werden am häufigsten aufgrund von Herzkrankheiten oder Muskel- und Skeletterkrankungen operiert. Deutschland ist weltweit Spitzenreiter bei der Erweiterung von verschlossenen Herzkranzgefäßen; bei koronaren Bypass-Operationen kommt es auf den vierten Platz. Künstliche Hüftgelenke werden nur in der Schweiz noch häufiger implantiert.
Gestaltungsbedarf für die Zukunft
Die hohen Ausgaben haben aber durchaus ihren Wert. Deutschland bietet seinen Bürgern deutlich mehr Infrastruktur im Gesundheitswesen an als andere OECD-Staaten.
"Die Bevölkerung hat einen sehr guten Zugang zu gesundheitlichen Leistungen. Es gibt praktisch keine Wartezeiten für operative Eingriffe und die Patienten können frei entscheiden, welchen Arzt sie aufsuchen", so Müller.
Von der Krisenfestigkeit des deutschen Systems profitiert auch das Personal im Gesundheitswesen. Deutsche Ärzte und Pflegende mussten nicht - anders als ihre Kollegen in Griechenland oder Irland - Lohnkürzungen hinnehmen, die die Finanzkrise ausgelöst hatte.
Und mit 3,8 Ärzten und 11,4 Pflegekräften auf 1000 Einwohnern ist die Personalausstattung deutlich besser als das durchschnittliche OECD-Niveau von 3,2 Ärzten und 8,8 Pflegern.
OECD-Ökonom Müller prognostizierte dennoch einen Gestaltungsbedarf für die Zukunft: Rund 40 Prozent der deutschen Ärzte sind mindestens 55 Jahre alt und werden in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben aussteigen. Generell fehlten Allgemeinärzte.
Obendrein steigt der Anteil der Frauen in der Medizin stetig und liegt mit 43 Prozent nur einen Prozentpunkt unter dem OECD-Durchschnitt. Müllers Fazit: "Medizinische Dienstleistungen werden sich in Deutschland mehr und mehr zu einem knappen Gut entwickeln. Es muss aus unserer Sicht daher künftig anders verteilt werden, zum Beispiel durch mehr Delegation an nicht-ärztliche Berufsgruppen."