Interview mit Gesundheitsminister
Lucha sieht Klinikreform im Vermittlungsausschuss: „Müssen an Lauterbach vorbei Mehrheiten organisieren“
Für Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha ist die Krankenhausreform ein Fall für den Vermittlungsausschuss. Dort gebe es eine rote Linie: Er lasse sich nicht vorschreiben, wo es bedarfsnotwendige Krankenhäuser geben darf.
Veröffentlicht:Die Bundesländer hatten im Juli eine Fülle von Änderungswünschen am Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) formuliert. Wie bewerten Sie die Gegenäußerung der Bundesregierung?
In vier Detailfragen hat Herr Lauterbach Zustimmung signalisiert. 35 zentrale Petita des Bundesrats wurden dagegen abgelehnt, in 23 Fällen wurde eine Prüfung zugesagt. Ich habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren allerdings die Erfahrung gemacht, dass Prüfzusagen des BMG in kaum einem Fall zu tatsächlichen Änderungen geführt haben.
Also führt kein Weg am Vermittlungsausschuss vorbei?
Ich sehe Stand heute nicht, dass wir Länder diesem Entwurf zustimmen können. Und wenn ich an die Einlassungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil im Juli im Bundesrat denke, dann sehen SPD-regierte Länder das ähnlich. Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass wir eine Zwei-Drittel-Mehrheit hinbekommen, um den Vermittlungsausschuss anzurufen.
…Herr Weil hatte die unterschiedlichen Einschätzungen über die Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzentwurfs als ein „Streit um des Kaisers Bart“ bezeichnet. Bei einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Länder sehe man sich halt im Vermittlungsausschuss wieder. Eigentlich war Mitte vergangenen Jahres ein Konsens doch schon greifbar….
Wir sind im Juli 2023 den Zielen der Krankenhausreform mit dem Eckpunktepapier von Bund und Ländern sehr nahe gewesen. Ich rätsele immer noch, warum Herr Lauterbach diesen Weg nicht weitergegangen ist. Unter Umständen ist ihm zugetragen worden, dass es eine Absprache mit den Ländern zur Zustimmungspflichtigkeit offenbar doch nicht braucht.
Wie kann es gelingen, im Vermittlungsausschuss angesichts der weit auseinanderliegenden Positionen doch noch die Kurve zu kriegen?
Herr Lauterbach muss den Weg zurück zu den gemeinsamen Eckpunkten von Juli 2023 finden. Wo wir im Vermittlungsausschuss auf keinen Fall nachgeben werden, das ist unsere Planungshoheit hier in der Region. Ich lasse mir nicht vorschreiben, wo es in Baden-Württemberg bedarfsnotwendige Krankenhäuser geben darf. Es muss uns im Vermittlungsausschuss gelingen, an Herrn Lauterbach vorbei Mehrheiten zu organisieren.
Oft beklagen Ländervertreter, das von Lauterbach vorgelegte KHVVG wirke wie eine Bundesschablone…
...zu Recht! Die bereits geleisteten Reformen in Baden-Württemberg – man denke an die bundesweit geringste Bettendichte – werden in den Rechenmodellen von Herrn Lauterbach an keiner Stelle abgebildet. Entscheidend ist: Am Ende des Tages müssen unsere krankenhausplanerischen Entscheidungen den Betreibern finanzielle Sicherheit geben. Das ist derzeit nicht der Fall. Selbst Krankenhausbetreiber mit bereits zentralisierten Einrichtungen erwirtschaften in Baden-Württemberg aktuell Millionen-Defizite. Diese Fälle scheint Herr Lauterbach nicht zu kennen.
Die Krankenhausbetreiber in Baden-Württemberg erwarten in diesem Jahr ein Defizit von rund 900 Millionen Euro. Auch die Länder brauchen diese Reform dringend.
Herr Lauterbach wird nicht müde zu betonen, den Krankenhäusern gehe es finanziell deshalb so schlecht, weil die Länder ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachkämen. Baden-Württemberg ist ein Beispiel dafür, dass dies so pauschal nicht stimmt. Gerade an den Best-Practice-Kliniken im Land, die bereits Reformen und Zentralisierungen durchlaufen haben, können wir zeigen, dass die DRG-gesteuerte Ertragslage sowie die Kosten- und Personalentwicklung die bestimmenden Faktoren für die Defizite sind. Immerhin erwähnt Herr Lauterbach in letzter Zeit nicht mehr, dass er eine Milliarde Euro pro Jahr mit der Reform einsparen will…
In Baden-Württemberg sind bereits Primärversorgungszentren etabliert worden, die sektorenübergreifend arbeiten könnten. Im Eckpunktepapier waren die früher „Level Ii“ genannten Einrichtungen als ein weiteres Werkzeug im Instrumentenkasten der ärztlichen und pflegerischen Vor-Ort-Versorgung vorgesehen. Schafft das KHVVG hier Klarheit?
Nein, der Gesetzentwurf bleibt komplett dem Denken in Sektoren verhaftet. Ich bin unter den Ländern der Motor gewesen, um sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen ins KHVVG zu bringen. Wir haben Herrn Lauterbach auf über 100 Seiten an Beispielen aufgezeigt, warum im Ordnungs- und Leistungsrecht hier Änderungen geboten sind. Aber er hat alle Ansätze aus dem Entwurf rausgeworfen – dabei war dieser Punkt im Eckpunktepapier sehr präzise formuliert.
Manfred „Manne“ Lucha
Jahrgang 1961
Seit 12. Mai 2016 Minister für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg
Seit 2011 Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen für den Wahlkreis Ravensburg
2006-2016: Stellvertretender Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV)
Jüngst hat Herr Lauterbach Bewegung bei den Fachkrankenhäusern erkennen lassen. Diese könnten beispielsweise hinsichtlich der Koordinierungs- und Kooperationsaufgaben nicht mit Akutkrankenhäusern über einen Kamm geschoren werden. Geht das zumindest in die richtige Richtung?
Ja, gewiss! Aber mir fehlt der Glaube, ich will das schriftlich sehen. Ich habe bereits in der Vergangenheit zu viele mündliche Zusagen aus dem BMG erhalten, die am Ende des Tages nichts wert waren.
Die Finanzierung des Transformationsfonds ist massiv umstritten. Die Länder sollen die Hälfte in Höhe von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr beisteuern. Wird Baden-Württemberg hier seinen Anteil liefern können?
Wir haben als Ministerium – Stand heute – die Zusage, dass unser Transformationsanteil im Landeshaushalt abgebildet wird. Auch in der Vergangenheit waren wir im Übrigen das Bundesland, das alle Förderprogramme des Bundes zusätzlich zur originären Investitionsförderung kofinanziert hat. Auch deshalb darf Baden-Württemberg nicht der Verlierer der Transformation werden – nur weil wir Anderen teilweise Jahre im Reformprozess voraus sind. Am Schluss müssen die Krankenhäuser, auf die wir uns verständigt haben, eine Existenzgarantie haben.