Müll-Wohnung

Messie-Syndrom eher selten

Vermüllt, verwahrlost: Wenn Wohnungen unbewohnbar werden, benötigen Menschen dringend Hilfe. Die Stadt Dortmund hat ein preisgekröntes Unterstützungsprogramm entwickelt.

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DÜSSELDORF. Wenn Wohnungen unbewohnbar werden, ist das Ausdruck einer seelischen Störung der Bewohner.

Die weit überwiegende Mehrzahl der Fälle ist dabei auf vier Diagnosen zurückzuführen: Suchterkrankungen, Psychosen, Depressionen und pathologisches Horten, das sogenannte Messie-Syndrom.

Mit einem diagnosedifferenzierten Vorgehen kann den Betroffenen aber wirksam geholfen werden.

Das berichtete Dr. Thomas Lenders vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes Dortmund auf der Tagung "Gesundheitliche Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen" in Düsseldorf.

Der Neurologe und Psychiater ist Leiter des Dortmunder Projekts "Wenn Wohnungen unbewohnbar werden.

Vermüllung, Wohnungsverwahrlosung und pathologisches Horten", das die Akademie für öffentliches Gesundheitswesen mit dem Qualitätspreis 2014 ausgezeichnet hat.

"Hinter der Wohnung steckt in den meisten Fällen ein vielschichtiger und komplexer Hilfebedarf", sagte Lenders. Der Sozialpsychiatrische Dienst in Dortmund hat 186 Fälle von desolaten Wohnungssituationen analysiert.

In 85 Prozent der Fälle lag der Eskalation danach eine der vier Diagnosen zugrunde. "Die Messies, die heute in aller Munde sind, sind eigentlich der kleinste Teil." Das pathologische Horten war nur bei zwölf Prozent ursächlich für die Verwahrlosung.

Nur acht Prozent der Wohnungsinhaber hatten selbst um Hilfe nachgesucht. Die meisten waren dem Hilfesystem der Stadt vorher unbekannt. 85 Prozent lebten allein.

Die meisten Betroffenen hatten reguläre Schulabschlüsse und zunächst beruflich Fuß gefasst. Dann sei es zu sozialer und beruflicher Desintegration gekommen, häufig durch eine schwere Erkrankung, erläuterte der Arzt.

Als die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes die Menschen kennenlernten, lebten nur noch fünf Prozent von ihrem Arbeitseinkommen.

Auf Basis der Untersuchung haben die Dortmunder ein Programm entwickelt, wie Sozialarbeiter oder Mediziner erkennen können, welche Erkrankung Ursache für die Verwahrlosung der Wohnung sein könnte und welche Maßnahmen am geeignetsten sind.

800 Menschen von Behörden und Hilfsorganisationen in ganz NRW sind bislang in dem Programm geschult worden.

"Die Art der Erkrankung hat Auswirkung auf das Hilfeannahmeverhalten, die Auswahl geeigneter sozialpsychiatrischer Maßnahmen, das Outcome und die Prognose", sagte Thomas Lenders. (iss)

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