Afghanistan

WHO warnt: Bald acht Millionen Afghanen ohne Zugang zu medizinischer Versorgung

Die Taliban-Herrschaft wirkt sich offenbar nicht gut auf das afghanische Gesundheitssystem aus. Die WHO warnt vor einer massiven Unterversorgung vor allem von Mädchen und Frauen und benötigt mehr Geld für die Hilfe im Land.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
In Kabul tragen Mütter ihre Kinder, da diese – durch Unterernährung bedingt – nicht in der Lage sind, selbst zu laufen. Dies ist nur eine Facette der humanitären Krise in Afghanistan. Auch mit der Gesundheitsversorgung steht es unter dem Taliban-Regime offenbar nicht zum Besten, wie die WHO informiert – vor allem für Frauen und Mädchen.

In Kabul tragen Mütter ihre Kinder, da diese – durch Unterernährung bedingt – nicht in der Lage sind, selbst zu laufen. Dies ist nur eine Facette der humanitären Krise in Afghanistan. Auch mit der Gesundheitsversorgung steht es unter dem Taliban-Regime offenbar nicht zum Besten, wie die WHO informiert – vor allem für Frauen und Mädchen.

© Sayed Khodaiberdi Sadat/AA/picture alliance

Genf/Kabul. Nach der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 schlittert Afghanistan offenbar in eine immer verheerendere gesundheitliche Versorgungskrise und eine zunehmende humanitäre Notlage – zumal das Taliban-Regime Frauen die Arbeit für Hilfsorganisationen im Land verboten hat. Am Freitag hat nun die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Alarm geschlagen. Afghanistan benötige dringend Investitionen in die Gesundheitsversorgung, insbesondere in den unterversorgten Gebieten, in denen die Gesundheitsinfrastruktur stark unterfinanziert ist und die aufgrund der anhaltenden humanitären Krise weiterhin gefährdet sind. Der WHO wiederum fehlten für die für den Zeitraum 2022 und 2023 vorgesehenen Ausgaben in Höhe von 480 Millionen US-Dollar noch 125 Millionen, die sie schnell von ihren Mitgliedstaaten oder anderen Dritten einwerben will.

Nach jahrzehntelanger Instabilität, die durch schwere Dürren und Naturkatastrophen noch verschärft worden sei, befinde sich Afghanistan derzeit in einer lang anhaltenden humanitären Krise, in der Millionen von Menschen ohne oder mit nur eingeschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung und Nahrungsmitteln lebten, wodurch sie einem hohen Risiko von Unterernährung und Krankheitsausbrüchen ausgesetzt seien. Die Gefährdung von Frauen und Mädchen habe sich dabei weiter verschärft, da ihnen der Zugang zur Gesundheitsversorgung aufgrund des Verbots der Bildung und der Teilnahme am Erwerbsleben erschwert werde.

Fast 30 Millionen Afghanen benötigen sofortige Hilfe

Der überarbeitete WHO-Plan für die humanitäre Hilfe in Afghanistan für das Jahr 2023 zeigt einen alarmierenden Anstieg der Zahl der Menschen, die dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Dem Plan zufolge benötigten 28,8 Millionen Menschen in Afghanistan sofortige Hilfe, vor August 2021 seien es noch 18,4 Millionen gewesen. Zur Bewältigung der gesundheitlichen Notlage seien derzeit 14 Millionen Menschen, darunter 7,5 Millionen Kinder und 3,1 Millionen Frauen, für medizinische Hilfe vorgesehen, von denen über die mehr als 1250 WHO-Kräfte im Land in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 bereits 8,4 Millionen erreicht worden seien.

Trotz dieser Bemühungen und ohne ausreichende Finanzierung werden laut WHO-Schätzung jedoch acht Millionen Menschen in Afghanistan den Zugang zu grundlegender und potenziell lebensrettender medizinischer Versorgung verlieren, und 450.000 Patienten werden kaum oder gar keinen Zugang zu lebensrettenden Traumaversorgungsleistungen, einschließlich Bluttransfusionen, haben. Darüber hinaus werden schätzungsweise 1,6 Millionen Menschen mit psychischen Erkrankungen kaum oder gar keinen Zugang zu psychologischer Beratung und psychosozialer Unterstützung haben.

Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, erklärte laut WHO: „Die Lage in Afghanistan ist ernst, und der Mangel an Ressourcen und Mitteln zur Unterstützung von Gesundheitspersonal und -einrichtungen gefährdet unzählige Menschenleben. Frauen und Kinder leiden am meisten. Ich rufe die Geber auf, großzügig zu spenden, damit wir unsere lebensrettende Arbeit fortsetzen können“.

Der WHO-Repräsentant für Afghanistan, Dr. Luo Dapeng, betonte die Notwendigkeit des unverzüglichen Handelns: „Die Lage in Afghanistan ist kritisch und erfordert dringende Aufmerksamkeit. In einem Land, das bereits von jahrzehntelangen Konflikten betroffen ist, stellt die Unterfinanzierung des Gesundheitssystems ein kritisches humanitäres Problem dar. Die Folgen dieser Unterfinanzierung können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich möchte unseren derzeitigen Partnern, die bisher Unterstützung geleistet haben, danken, sie aber auch dazu auffordern, ihre Anstrengungen zu verdoppeln“.

WHO nimmt weiter Schlüsselrolle bei humanitärer Hilfe und Gesundheitsdienstleistungen in Afghanistan ein

Der Gesundheitssektor benötige 2023 insgesamt 413 Millionen US-Dollar, um landesweit Gesundheitsdienste für mindestens 14 Millionen Menschen bereitzustellen, so die WHO. Mit ihrem Personal in allen sieben Regionen Afghanistans ist die WHO nach eigenen Angaben in allen 34 Provinzen stark vertreten. Gemeinsam mit den Partnern des Gesundheitsclusters biete sie strategische Führung, Informationsmanagement sowie technische und operative Unterstützung, um die Verfügbarkeit grundlegender und dringender Gesundheitsdienste im ganzen Land zu gewährleisten. Damit solle sichergestellt werden, dass lebenswichtige und lebensrettende Leistungen alle bedürftigen Afghanen erreichen. Die WHO sei weiterhin federführend bei der Koordinierung der Gesundheits- und humanitären Cluster in Afghanistan und fungiere gleichzeitig als ständiger Co-Vorsitzender der Strategischen Thematischen Arbeitsgruppe für Gesundheit (H-STWG). Darüber hinaus habe sich die WHO den Ansatz „Gemeinsam liefern“ zu eigen gemacht, um die Kohärenz, Effizienz und Effektivität der Vereinten Nationen auf Länderebene zu verbessern, und spiele eine führende Rolle bei der Einberufung von Schlüsselsektoren zur Förderung eines „Health in All Policies“-Konzepts zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, wobei sie eine Vermittlerrolle auf hoher Ebene einnehme.

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