Debatte über Kassenfusionen in der GKV
Weniger Krankenkassen – wie viel ließe sich dadurch wirklich sparen?
Die Kassenwelt muss sparen, weil Gesundheit teurer wird. Erneut wird die Zahl der Krankenkassen hinterfragt – diesmal vom VdK. Doch würde die GKV-Welt dadurch sparen? Die Ärzte Zeitung hat nachgerechnet.
Veröffentlicht:Berlin. Angesichts eines weiterhin erwarteten Defizits in der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Sozialverband VdK die Zahl der Krankenkassen in Deutschland infrage gestellt. Auch die Kassen könnten und sollten ihren Sparbeitrag leisten, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ (Samstag). „Wir haben in Deutschland 96 Krankenkassen. Da stellt sich schon die Frage, ob das so viele sein müssen“, sagte Bentele. Jede Kasse habe Vorstände und eine teure Verwaltung.
Das heiße nicht, dass man die kompetenten Personen nicht brauche, die dort arbeiteten und Mitglieder vor Ort betreuten. „Aber wenn es weniger Kassen gäbe, ließe sich der Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren und damit viel Geld sparen“, sagte Bentele weiter.
„Populistischer Gag“
Diese Debatte hatte im Juni der Vorsitzende des BKK-Dachverbands, Franz Knieps, als „populistischen Gag“ bezeichnet. „Wir müssen auch selbst bei uns sparen, aber eine solche Ersatzdiskussion bringt nichts“, sagte damals beim Hauptstadtkongress auch der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Dr. Jens Baas.
Was also könnte eine Zusammenlegung von gesetzlichen Krankenkassen bringen? Ein Blick auf die nackten Zahlen: Alle Kassen in der GKV kommen ausweislich der rezenten KG1-Statistik auf 14,7 Milliarden Euro Brutto-Verwaltungskosten. Knappe 2,9 Milliarden Euro erhalten sie über Erstattungen refundiert. Von den rund 12 Milliarden Euro Netto-Verwaltungskosten machen mit circa 7 Milliarden Euro die Personalaufwendungen den größten Teil aus.
Bei den gesetzlichen Krankenkassen waren per Ende 2020 in toto 133.482 Menschen beschäftigt. Die Kosten für sie machen in der Tat 2,5 Prozent des GKV-Gesamtvolumens aus. Fraglich ist allerdings, ob eine Zusammenlegung der Krankenkassen zu nennenswerten Einsparungen führen könnte. Dazumal der Verwaltungskostenanteil seit Jahren leicht sinkt, auch da der Gesetzgeber die Steigerungen regelmäßig in Paragraf 4 SGB V deckelt.
Ein Vergleich zu den Personalkosten: Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sind rund 25.000 Beschäftigte für gut 10 Millionen Rentenbezieher zuständig – eine Person betreut 400 Rentnerinnen und Rentner. Bei allen Rententrägern unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung (DRV) sind es hingegen 21,26 Millionen Rentenbezieher – bei ca. 60.000 DRV-Mitarbeitern ergibt das ein Verhältnis von 1:360.
Auf die GKV bezogen mit 74,33 Millionen Versicherten ergibt sich hingegen ein Verhältnis von einer GKV-Person auf 557 Versicherte.
Womöglich hilft ein Blick ins Ausland: In Österreich wurde Ende 2019 per Reform die Zahl der Krankenkassen von 21 auf 5 deutlich reduziert. Alle einstigen Gebietskrankenkassen (je Land eine) und die Betriebskassen sind 2020 in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) aufgegangen. Die versichert 7,5 Millionen Menschen im Land (rund 82 Prozent der Bürger) – und beschäftigt gut 12.000 Mitarbeiter. Die Quote mit 1:625 ist verglichen mit der deutschen GKV und erst Recht mit der DRV nominell besser.
GKV-Kassenvorstände kosten nur einige Millionen
Nach diesem „Vorbild“ wären für eine stärker zusammengelegte deutsche GKV-Welt nurmehr 119.000 Kassenmitarbeiterinnern und -mitarbeiter im Budget. Über die im Status quo gemittelten Kosten pro Person (52.441,53 Euro) ergäbe sich so ein jährliches Einsparvolumen von circa 760 Millionen Euro. Dieses Potenzial von rund 11 Prozent auf alle Netto-Verwaltungskosten übertragen würde (überschlägig und großzügig gerechnet!) ein Einsparvolumen von 1,3 Milliarden Euro bringen – bei einem für heuer erwarteten Defizit zwischen 3,5 bis 7 Milliarden Euro.
Und was ist mit den dann „überzähligen“ und teuren GKV-Vorständen? Sie sind bereits in der Rechnung enthalten (die KG1-Statistik weist sie nicht gesondert aus), aber ein separater Blick verdeutlicht die Dimension. Zwar gibt es etliche Ausreißer in der GKV-Welt mit einem Jahressalär auf Niveau von Bundeskanzler oder Bundesministern. In der Summe schlagen die Gehälter der obersten Kassenchefinnen und -chefs aber nur mit rund 15 Millionen Euro zu Buche. Zusammen mit ihren Stellvertretern und anderen Vorstandsmitgliedern dürften rund 25 Millionen Euro p.a. in der Abrechnung stehen – gerade einmal 0,09 ‰ vom GKV-Gesamtvolumen. (nös)