Projekt "Ivena"
Berliner Rettungsdienst betritt das digitale Zeitalter
Welche Klinik hat Kapazität für meinen Patienten? Eine Online-Plattform steuert künftig in Berlin den Rettungsdienst. Politiker und Experten erwarten davon eine bessere und schnellere Notfallversorgung.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Notfallversorgung in Berlin steht nun auf digitalen Beinen. Die Online-Plattform Ivena verrät dem Berliner Rettungsdienst, in welche Krankenhäuser er welche Patienten transportieren kann. Die Plattform wurde eingeführt, weil manche Berliner Krankenhäuser regelmäßig an ihre Kapazitätsgrenzen kommen und sich dann abmelden.
Der Rettungsdienst musste in diesen Fällen bislang telefonisch bei anderen Kliniken Kapazitäten erfragen. So geht wertvolle Zeit in der Notfallversorgung verloren.
Über Ivena melden die 38 Berliner Notfallkrankenhäuser seit April dieses Jahres Vollbelegung einzelner Stationen oder freie Kapazitäten online statt telefonisch. Ein knappes halbes Jahr nach dem Systemwechsel haben die beiden daran beteiligten Senatsressorts für Gesundheit und für Inneres Ivena der Öffentlichkeit vorgestellt.
"Durch die Digitalisierung der Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus beschleunigt sich die Suche nach dem bestmöglichen Krankenhaus, so dass Notfallpatientinnen und -patienten davon profitieren. Gleichzeitig entlasten wir mit Ivena stark frequentierte Notaufnahmen durch eine gleichmäßigere und bedarfsgerechtere Patientenzuweisung", so das Fazit von Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) nach den ersten Erfahrungen.
Überblick in Echtzeit
Innensenator Andreas Geisel (ebenfalls SPD) verweist darauf, dass Ivena auch die Arbeit für die Einsatzkräfte in der Leitstelle und vor Ort erleichtern soll. "Dafür bietet das System nahezu in Echtzeit stadtweit einen Überblick über die klinischen Versorgungsmöglichkeiten", so Geisel.
Mehr als 1000 Patienten transportiert die Berliner Notfallrettung nach Angaben von Karsten Göwecke, ständiger Vertreter des Landesbranddirektors der Berliner Feuerwehr, jeden Tag in die zentralen Notaufnahmen der Hauptstadt-Kliniken. "Ivena wird es uns ermöglichen, neue Qualitätsansprüche bei der Patientenübergabe zu setzen. Alle Patientenzuweisungen in Ivena werden sich an aktuellen notfallmedizinischen Leitlinien, Richtlinien und Empfehlungen ausrichten und dadurch eine bestmögliche Versorgung sicherstellen", betont Göwecke.
Vorteile hat das System aus seiner Sicht auch im Katastrophenfall. Es erleichtere eine strukturierte Verteilung der Patienten im Falle größerer Patientenaufkommen.
Interner Analysen
Die Kliniken nutzen das System zudem für eigene Auswertungen. Das berichtet Dr. Anne Hinrichs, Abteilungsleiterin Medizinmanagement, Organisation und Katastrophenschutz des kommunalen Berliner Klinikriesen Vivantes. "Mittlerweile wird in allen Vivantes-Häusern damit gearbeitet und das System für interne Auswertungen genutzt", so Hinrichs. Die Rettungsstelle im Vivantes Klinikum im Friedrichshain war eine von sechs Pilot-Rettungsstellen zum Test von Ivena in Berlin.
Auf die Ivena-Daten haben bislang die Rettungsleitstelle der Feuerwehr und die anderen Kliniken Zugriff. Im kommenden Jahr sollen die Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge direkt an das System angeschlossen werden. So kann der Rettungsdienst vor Ort selbst erkennen, wo das nächste geeignete Krankenhaus mit freien Kapazitäten ist. Dann erfolgt die Zuweisung der Notfallpatienten nicht mehr über die Leitstelle der Berliner Feuerwehr, sondern dezentral und eigenständig durch die Besatzung der Rettungswagen.
Dazu werden die ersten 30 Fahrzeuge noch in diesem Jahr, die weiteren 161 Wagen dann 2019 mit Tablets ausgestattet.
Auf Notaufnahme vorbereiten
Geplant ist außerdem, dass Patienten in kritischem Zustand, die besonders intensive und schnelle Behandlung brauchen, über Ivena vorab an die Kliniken zugewiesen werden. Damit soll erreicht werden, dass die Notaufnahme sich auf die Versorgung des Notfallpatienten vorbereiten kann. Bisher erfolgt diese Ankündigung noch direkt vom Rettungswagen, der eine aufnahmebereite Klinik erst suchen muss.
Rund 300.000 Euro gibt der Senat für die Anschaffung und Implementierung des Systems insgesamt aus. Die laufenden Kosten für Server und Wartung beziffert die Gesundheitssenatsverwaltung auf 60.000 Euro pro Jahr.