Rettungseinsatz
Der Notarzt ist "online" dabei
Der Rettungsdienst steht vor gewaltigen Herausforderungen: Immer mehr Einsätze und ein drohender Ärztemangel. In Aachen wird jetzt ein Modellprojekt getestet, bei dem Ärzte telemedizinisch im Einsatz sind.
Veröffentlicht:KÖLN. Zwölf Minuten nach dem Notruf ist der Rettungswagen am Einsatzort in Heinsberg. Als der Notarzt 16 Minuten darauf eintrifft, ist ein großer Teil der Arbeit bereits getan.
Die luxierte Schulter des Patienten ist stabilisiert, und die starken Schmerzen hat der Rettungsassistent durch die Gabe von Morphin gestillt.
Die Verantwortung für die Medikamentengabe hat der Telemediziner übernommen, der den Einsatz von seinem Arbeitsplatz in der Feuerwache Aachen aus geleitet hat.
Weil die Deutschen immer häufiger die Notrufnummer wählen, sind die Notärzte zunehmend überlastet, berichtet Dr. Jörg Christian Brokmann, Leiter der zentralen Notaufnahme der Universitätsklinik Aachen.
"Jedes Jahr steigt die Anzahl der Notrufe um über sieben Prozent", sagt Brokmann. Besonders in ländlichen Gebieten leide die Versorgung darunter.
Brokmann ist der medizinische Leiter des Forschungsprojekts Telemedizinisches Rettungsassistenzsystem (TemRas). Es soll ermitteln, ob Personal und Patienten eine telemedizinische Behandlung annehmen und wie viele Einsätze ein Telemediziner gleichzeitig bewältigen kann.
Beteiligt sind an dem Projekt neben der Uniklinik Aachen die Universität Aachen sowie mehrere Unternehmen aus der Privatwirtschaft.
Einsatz des Notarztes oftmals nicht nötig
"Es geht nicht darum, die Notärzte zu ersetzen, sondern sie zu entlasten", sagt Brokmann. Das sei gut machbar, da bei mehr als der Hälfte der Einsätze die physische Anwesenheit eines Arztes nicht nötig sei.
Die Erprobung im Praxistest läuft bis Juli 2013, danach stehen Gespräche mit den Krankenkassen über die Implementierung an.
Derzeit sind drei Teams aus Rettungsassistenten und Rettungssanitätern samt Auto mit der TemRas-Technik ausgestattet, zwei von ihnen in Aachen und eines in Heinsberg.
In den kommenden Wochen sollen drei weitere folgen. Kernstück sind zwei Übertragungseinheiten, eine in der Defibrillator-Tasche, eine im Rettungswagen.
Die mit Headsets ausgestatteten Rettungsteams können darüber jederzeit eine Mobilfunkverbindung zum Telearzt aufbauen, oder mit dem Monitoring-System ermittelte Parameter des Patienten übertragen, erklärt Brokmann.
Schießt der Rettungssanitäter mit der Digitalkamera Fotos von der Einsatzstelle, hat einer der beiden Telemediziner in der Feuerwache sie Sekunden später auf dem Bildschirm.
Um eine möglichst robuste Datenverbindung zu schaffen, greift TemRas auf die Netze mehrerer Provider zu. Die Übermittlung findet verschlüsselt statt. Im Wagen steht zusätzlich eine Kamera an der Fahrzeugdecke zur Verfügung, über die der Arzt den Patienten live begutachten kann.
Ist die Verlegung in ein Krankenhaus nötig, sucht der Telemediziner die passende Zielklinik aus und kündigt die Ankunft der Rettungskräfte an.
Noch während der Anfahrt schickt er die erhobenen Patientendaten an den aufnehmenden Arzt, der sich so auf die Behandlung vorbereiten kann.