Börse
Erste Impfstoff-Erfolge befügeln Corona-Verlierer
Die neuen möglichen Impfstoffe gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 treiben nun die Aktienkurse jener Unternehmen in die Höhe, deren Geschäfte besonders schwer unter der Pandemie leiden. Potential sehen Analysten auch für Titel aus dem deutschen Leitindex Dax.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Ein Kursgewinn von 90 Prozent bei Unibail Rodamco Westfield, oder ein Plus von 87 Prozent bei Deutsche Euroshop: Die Aktien der großen europäischen Betreiber von Einkaufszentren sind zuletzt kräftig in die Höhe geschossen.
Denn Börsianer sehen mit den neuen Corona-Impfstoffen das Ende der Pandemie nahen und investieren nun in Aktien, die sich bislang von der Krise kaum erholen konnten. „Die Börse schnuppert wieder Normalität“, sagt Gerd Häcker, geschäftsführender Gesellschafter der Münchner Vermögensverwaltung Steinbeis & Häcker.
Als sich das SARS-CoV-2-Virus im März wie ein Flächenbrand über die Welt verbreitet, verhängen Regierungen umfassende Lockdowns. Einzelhandelsgeschäfte müssen schließen, Industrieunternehmen ihre Fertigung herunterfahren. Das ließ rund um den Globus die Aktienmärkte einbrechen.
Zwar erholten sich die Börsen von April an wieder. Doch die Notierungen vieler Unternehmen, deren Geschäfte besonders stark unter der Pandemie leiden, verharrten bislang weiter nahe ihren Tiefständen.
Interessante Dax-Titel
Beispielhaft stehen die Deutsche Euroshop und Unibail Rodamco Westfield. Börsianer fürchten, dass deutlich weniger Kunden als in der Vor-Coronazeit im stationären Handel einkaufen gehen und stattdessen verstärkt Waren über das Internet bestellen. Den Eigentümern von Einkaufszentren könnten die Einnahmen wegbrechen, weil die Mieter ihrer Ladengeschäfte Insolvenz anmelden müssen.
Die Trendwende für die Papiere brächten nun die „großen Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung“, sagt Patrick Linden, Geschäftsführer Deutschland der Pariser Investmentgesellschaft Clartan Associés.
Dennoch notiert die Aktie der Deutsche Euroshop noch immer knapp 30 Prozent, das Papier von Unibail Rodamco Westfield sogar 60 Prozent unter Vorkrisenniveau. „Die Unibail-Aktie ist deshalb in all unseren Fonds enthalten“, sagt Linden.
Allerdings könnte es noch etwas dauern, bis die Börsenkurse wieder den Stand vom Februar erreicht haben. „Das Corona-Virus wird die Betreiber von Einkaufszentren noch bis zur Verteilung eines Impfstoffes belasten“, sagt Jan Lennertz, Analyst beim unabhängigen Finanzdienstleister Independent Research in Frankfurt am Main.
Langfristig kräftiges Kurspotenzial
Auch bei anderen Werten sehen Experten langfristig kräftiges Kurspotenzial. „Die Vakzine sind ein Katalyst für die Börsen“, meint Benjamin Melman, Chef-Investmentstratege der französischen Privatbank Edmond de Rothschild. „Vor allem zyklische Werte in Europa sollten sich nun erholen.“
Dazu zählen auch zwei Firmen aus dem deutschen Leitindex Dax: Die Aktie des Polymerwerkstoff-Herstellers Covestro notiert aktuell noch rund 50 Prozent unter ihrem Höchstkurs in den vergangenen drei Jahren. Dabei produziert das Unternehmen Werk- und Klebstoffe, die in nahezu allen modernen Produkten zu finden sind – von Elektronikbauteilen bis zu Automobilien. Markus Mayer, Analyst der Baader Bank, hat die Aktie deshalb mit „Zukaufen“ eingestuft.
Und die Aktie des Chemiekonzerns BASF ist momentan fast 20 Prozent billiger als zu Beginn des Jahres. Dabei sei das Unternehmen „einer der größten Wasserstoffproduzenten der Welt“ und dürfte „von der Grünen Energiestrategie der EU profitieren“, urteilt DZ-Bank-Analyst Peter Spengler und bewertet das Papier mit „Kaufen“.
Was zudem für die Aktie spricht: Anders als Covestro musste BASF seine Dividende nicht kürzen. Auf dem gegenwärtigen Kursniveau beträgt die Dividendenrendite 5,1 Prozent.
Reisebranche klebt am Boden
Die Aktien der Lufthansa und des Reisekonzerns TUI haben sich bislang kaum von ihren Kursabstürzen im März erholt. Sollen die Notierungen wieder ihre Stände vor der Krise erreichen, müssten sich die Kurse beider Papiere mehr als verdoppeln. Allerdings „werden sich Flugindustrie und Tourismus nicht so schnell erholen“, glaubt Helge Müller, Stratege bei der Genfer Vermögensverwaltung Genève Invest.
Zudem haben beide Unternehmen milliardenschwere Krisendarlehen von der Bundesregierung erhalten, die sie irgendwann zurückzahlen müssen. Bei der Lufthansa komme neben den hohen Schulden ein weiteres Problem hinzu, sagt Daniel Roeska vom New Yorker Analysehaus Bernstein Research.
„Der Gewinn schwankt stark in Abhängigkeit externer Faktoren wie der Entwicklung der Treibstoffpreise.“