Umgestaltung der Arbeit

Sachverständiger Hallek: Fachkräftemangel erfordert Mut zu Strukturreformen

Durch Patientensteuerung in der Notaufnahme und Ausbau der primärärztlichen Versorgung ließe sich die Arbeitsbelastung im Gesundheitswesen reduzieren, sagt der Vorsitzende des Sachverständigenrates.

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Düsseldorf. Eine Bekämpfung des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen und die Entlastung der dort Tätigen lassen sich realistischerweise nicht durch eine Erhöhung der Anzahl Beschäftigter erreichen. Gefordert seien daher strukturelle Veränderungen und eine bessere Steuerung der Patienten, sagte der Kölner Onkologe Professor Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege, beim Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse in Düsseldorf.

Hallek, der per Video zugeschaltet war, verwies darauf, dass es in Deutschland zwar im Vergleich zu anderen Ländern viel ärztliches und pflegerisches Personal gibt, das aber deutlich mehr Fälle versorgen muss. Zudem wirke sich die hohe Teilzeitquote insbesondere in der Pflege belastend aus. „Ich denke, dass der stärkste Effekt durch eine gute Steuerung der Inanspruchnahme der Notaufnahmen zu erreichen wäre“, so Hallek. Das könnte die Zahl der Belegungstage in den Kliniken um bis zu ein Viertel senken.

Insgesamt könne man fast die Hälfte der Belegungstage durch Strukturmaßnahmen reduzieren. Dazu gehören auch der Ausbau der primärärztlichen Versorgung und eine Stärkung der Rolle der Pflege.

Pflege braucht mehr Autonomie

Viele Pflegekräfte aus dem Ausland würden hierzulande wieder aus der Pflege ausscheiden, weil sie in ihren Heimatländern viel mehr machen dürfen als in Deutschland, sagte Hallek. Die Pflege brauche größere Autonomie. „Wir müssen den Mut haben, die Pflege wird uns keine Arbeit wegnehmen.“

Notwendig seien der Abbau von Hierarchien und die Möglichkeit der selbstbestimmten Arbeitsorganisation, bestätigte Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer NRW. „Es geht nicht darum, dass wir kleine Ärzte werden“, betonte sie. Stattdessen müsse die Pflege mehr Verantwortung übernehmen können, auch wirtschaftliche Verantwortung. „Es geht um Autonomie und Weiterentwicklung des Pflegeberufes.“

Eine bessere Zusammenarbeit mit den Pflegefachkräften sei genau das, was die jungen Ärztinnen und Ärzte wollten, betonte Dr. Andrea Martini, Sprecherin des Bündnisses Junge Ärztinnen und Ärzte. „Wir wünschen uns mehr Interdisziplinarität, Ärzteschaft und Pflege müssen an einen Tisch kommen.“

„Nicht im Gesamtsystem gedacht“

Wichtig für den Nachwuchs seien auch neue Formen des Arbeitens, Stichwort New Work. „Man muss den Leuten die Möglichkeit geben, ihre Wünsche zu realisieren und flexibel zu arbeiten“, forderte sie. Hierzu gebe es schon viele gute Ideen, aber es hapere meist an der Umsetzung. „Wir haben eine sehr zögerliche Gesellschaft“, findet Martini.

Für den Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Dr. Hans-Albert Gehle mangelt es im Gesundheitssystem an einer übergreifenden Perspektive. „Es wird zu sehr in den einzelnen Strukturen gedacht und nicht im Gesamtsystem“, sagte er. Aus Patientensicht sei Frage der Schnittstellen entscheidend. „Wie bekommen wir es hin, dass die Menschen wieder den Eindruck haben, aus einem Guss behandelt zu werden?“

Die sektorübergreifende Versorgung muss nach seiner Ansicht ausgebaut werden. „Wir müssen endlich den Mut haben, die Dinge, die über die Grenzen hinweg funktionieren, im Sozialgesetzbuch festzuschreiben“, forderte Gehle. Für notwendig hält auch er eine bessere Steuerung der Patienten. „Die Frage ist: Gibt uns der Gesetzgeber das Recht, die Menschen zu steuern?“ (iss)

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