Nur noch Lug und Betrug im Gesundheitswesen? Die Wirklichkeit sieht anders aus
Versinkt das Gesundheitswesen in Korruption und Betrug? Staatsanwalt Alexander Badle hält die sich derzeit häufenden Schlagzeilen für überzogen und kontraproduktiv.
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Korruption und Betrug im Gesundheitswesen: Vor 20 Jahren wurde wahrscheinlich mehr gemauschelt als heute.
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Badle ist Leiter der neu eingerichteten hessischen "Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen" bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Sie ist, wie kurz berichtet, aus einer Ermittlungsgruppe hervorgegangen, die seit 2002 insgesamt 3159 Verfahren abgeschlossen hat. Im Moment würden tatsächliche oder vermeintliche Straftaten im Medizinsektor in den Medien sehr gepuscht, sagt Badle. "Nie zuvor wurde im deutschen Gesundheitswesen so viel bestochen, gelogen und getäuscht", hieß es beispielsweise in der Online-Ausgabe der Zeitschrift "Wirtschaftswoche".
Das Entdeckungsrisiko ist heute enorm gestiegen
Nach Einschätzung Badles trifft das jedoch nicht zu. "Vor 20 Jahren waren es vielleicht sogar mehr Fälle, weil die Täter praktisch kein Aufdeckungsrisiko hatten", sagt er. Gestiegen sei freilich das öffentliche Interesse an diesem Thema. Ein Bewusstsein für Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen gebe es im Grunde erst seit dem Herzklappen-Skandal. Der Gesetzgeber habe daraus schließlich die Konsequenzen gezogen und im Sozialgesetzbuch V die Voraussetzungen für die systematische Aufdeckung von Straftaten verbessert.
Mit den Schlagzeilen etwa über die Zuweiserpauschalen sei der Sache kein guter Dienst erwiesen worden, kritisiert Badle. Die Diskussion sei teilweise sehr unsachlich verlaufen. Vieles von dem, was von manchen Akteuren angeprangert worden sei, sei "jenseits der Strafbarkeit". Es sei klar, dass die Medien auf starke Effekte abzielten, allerdings könne sich die teilweise schon kampagnenhafte Berichterstattung in Fachkreisen kontraproduktiv auswirken und ihre Bereitschaft mindern, an der Aufdeckung von Fehlverhalten mitzuwirken.
Das Land Hessen hat aus seiner Sicht mittlerweile eine Vorreiterposition, die Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen habe sich sehr gut entwickelt. Dabei geht es für Staatsanwalt Badle nicht nur um die Aufdeckung und Ahndung von Fehlverhalten oder Straftaten, sondern ebenso sehr auch um die Prävention. "Die Ärzte machen sich mehr Gedanken", sagt er, "jedenfalls diejenigen, die sonst - ohne kriminelle Energie - in Grauzonen des Gebührenrechts hätten geraten können." Die Staatsanwaltschaft habe kein Interesse daran, Ärzte zu Straftätern zu machen, vielmehr bemühe sie sich, Fehler aufzudecken und über Risiken aufzuklären.
Apotheker schädigte Kassen um mehrere 100 000 Euro
Allerdings befasst sich die Zentralstelle auch mit gravierenden Fällen. Dazu zählen etwa die im August bekannt gewordenen Ermittlungen gegen einen Frankfurter Apotheker, der zusammen mit Personen aus der Drogenszene die Krankenkassen durch Falschabrechnungen erheblich geschädigt haben soll. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ließen sich die Versicherten von verschiedenen Ärzten mehrfach hochpreisige Medikamente verordnen. Der Apotheker habe die Verordnungen bei den Kassen abgerechnet und seine Komplizen dafür mit Flunitrazepam- Tabletten versorgt. Die Schäden sollen sich auf mehrere 100 000 Euro belaufen.