Arzneimittelpolitik
Pharmaverband BPI kündigt Klage gegen EU-Abwasserrichtlinie an
Die Arzneimittelhersteller sehen sich über Gebühr an den Pranger gestellt. Auch andere Mikroschadstoff-Emittenten sollen ihren Beitrag zur geplanten 4. Abwasser-Reinigungsstufe leisten.
Veröffentlicht:Berlin. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) beabsichtigt, gegen die novellierte EU-Abwasserrichtlinie Rechtsmittel einzulegen. Das habe der Verbandsvorstand jetzt entschieden, heißt es in einer Mitteilung am heutigen Donnerstag. Derzeit würden „die Rechtsschutzmöglichkeiten einer Klage vor den europäischen Gerichten (EuGH) geprüft“.
Die überarbeitete kommunale Abwasserrichtlinie war vorige Woche vom Ministerrat final abgesegnet worden. Danach sollen größere Kläranlagen künftig mit einer 4. Reinigungsstufe gegen Mikroschadstoffe ausgerüstet werden. Bau und Betrieb sollen Hersteller finanzieren („erweiterte Herstellerverantwortung“), auf deren Produkte die Verunreinigungen zurückgeführt werden können. Ausdrücklich genannt werden in der Richtlinie (Anhang III) nur Pharma- und Kosmetikhersteller. Die kritisieren nun, dass andere Emittenten wie etwa Landwirtschaft oder Lebensmittelindustrie außen vor bleiben.
Der BPI stützt seine Klage einesteils auf ein Rechtsgutachten („Unions- und verfassungsrechtliche Grenzen für eine Umweltsonderabgabe auf Humanarzneimittel“) des einstigen Verfassungsrichters Udo Di Fabio. Unter anderem wird darin konstatiert, dass die EU „kein selbständiges finanzverfassungsrechtliches Mandat“ besitze, um eine umweltrechtlich motivierte Abgabe auf Humanarzneimittel zu erheben.
„Wir fordern gerechte Verteilung der finanziellen Lasten“
Zudem sei „die Auferlegung einer Finanzierungslast zur Abwasserbeseitigung durch sekundäres Umweltrecht der EU“ im Fall der Arzneimittelhersteller unvereinbar mit der Grundrechtscharta der EU. Di Fabio macht Verstöße gegen Berufs-, Eigentums- und unternehmerische Freiheit der Artikel 15, 16 und 17 geltend sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 20.
Darüber hinaus, so der Pharmaverband weiter, dokumentierten diverse unabhängige wissenschaftliche Gutachten „dass der Anteil von Arzneimitteln an den Mikroverunreinigungen deutlich geringer ist, als die von der Kommission veranschlagten 66 Prozent“. Weil solche Studien sowie andere Schadstoffquellen nicht berücksichtigt würden, falle die Kostenaufteilung für die 4. Reinigungsstufe unfair aus.
„Wir fordern eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten, die die Versorgungssicherheit mit lebenswichtigen Arzneimitteln nicht gefährdet“, so BPI-Vorsitzender Oliver Kirst. „Die Klage vor dem EuGH soll eine ausgewogene Lösung erzielen, die allen relevanten Verursachern gerecht wird, ohne den Umweltschutz zu gefährden.“ (cw)