Künstliche Intelligenz
Roboter – die Ärzte der Zukunft?
In China hat mit dem "kleinen Doktor" Xiaoyi erstmals ein mit Künstliche Intelligenz gefütterter Roboter das ärztliche Examen bestanden. Ist das eine Blaupause für die Zukunft der ärztlichen Versorgung in Deutschland? Zunächst müssen dafür Fragen wie die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung und die Haftung geklärt werden.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, das gesamte Gesundheitswesen und damit auch die Behandlung zu verändern. Schon heute kann ihr gezielter Einsatz zu einer enormen Zeit- und Kostenersparnis in Form von schnelleren Diagnosen und gezielten Therapien führen.
Werden wir uns in naher Zukunft in der Sprechstunde von "Dr. Algorithmus" einfinden? Schüttelt er uns die Hand, fragt nach unseren Beschwerden, stellt dann innerhalb von Sekunden eine Diagnose und entlässt uns mit dem entsprechend verordneten Medikament? Oder wird ein Arztbesuch sogar in vielen Fällen ganz entbehrlich?
In Deutschland herrscht diesbezüglich noch in weiten Teilen Skepsis, jedoch stehen nach einer PwC-Umfrage jedenfalls 41 Prozent der Deutschen einer Behandlung durch eine KI grundsätzlich offen gegenüber.
Die chinesische ärztliche Zulassungsprüfung hat der humanoide Roboter Xiaoyi ("kleiner Doktor") im November 2017 erfolgreich, sogar mit 96 Punkten überdurchschnittlich erfolgreich, bestanden.
Zur Vorbereitung auf das Medizinexamen war er zuvor mit rund einer Million medizinischer Bilder, 53 medizinischen Büchern, zwei Millionen medizinischen Akten und 400.000 medizinischen Fachartikeln sowie Berichten gefüttert worden.
Big Data erfordert KI-Einsatz
Xiaoyi verfügt nun über das erforderliche medizinische Fachwissen, um als lizenzierter Arzt in China zu praktizieren. Bald wird er käuflich erhältlich sein, so die Pläne des Unternehmens IFlyTek, das Xiaoyi entwickelt und realisiert hat.
KI soll in China – auch im Gesundheitswesen – gemäß dem Masterplan 2025 stärker in berufliche Tätigkeitsbereiche eingebunden werden.
Doch auch hierzulande zeichnen sich durch den Einsatz von KI im Bereich des Gesundheitswesens zahlreiche Errungenschaften ab. Schon heute assistieren Roboter im OP bei hochkomplexen Eingriffen mit höchster Präzision, im Labor werden Blut und Gewebeproben voll automatisiert untersucht, und auf einer Station im Krankenhaus überwacht ein Robotersystem die Medikamentengabe oder die Vitalfunktionen des Patienten.
Schon allein die heutzutage anfallenden enormen Datenmengen – Big Data – machen den Einsatz von KI im Klinikalltag erforderlich. Dabei kann KI die Qualität von Ärzten erreichen oder sogar übersteigen. Sie verarbeitet nicht nur vorhandene Informationen, KI kann sogar hinzulernen, indem sie Symptome erfasst, Röntgenbilder analysiert und erste Diagnosen stellt.
Der Vorteil ist, dass dies innerhalb kürzester Zeit geschieht. Ob Gehirntumor oder Darmpolyp, selbstlernende KI-Algorithmen werden bereits heute zur frühzeitigen Erkennung von Tumoren oder Auswertung von Röntgenaufnahmen eingesetzt.
Die KI gestützten Systeme, bildgestützte Diagnoseverfahren, greifen hierzu auf ihre Datenbanken zurück, die zuvor mit Tausenden von Bildern gespeist wurden.
So entsteht ein "künstliches Superhirn", das nicht nur mit einer erstaunlichen Genauigkeit innerhalb von wenigen Sekunden eine möglichst genaue Diagnose mit entsprechendem Therapievorschlag stellt, sondern vor allem – im Gegensatz zu einem menschlichen Gehirn – niemals vergisst.
Arztvorbehalt stellt hohe Hürde dar
KI trotz bestehender medizinrechtlicher Hürden zu nutzen, ist das gesteckte Ziel. Beachtlich ist jedoch, dass bestimmte Maßnahmen – derzeit noch – ausschließlich von Ärzten durchgeführt werden dürfen. Für die Ausübung der ärztlichen Heilkunde ist zwingend eine ärztliche Approbation erforderlich.
Dieser Arztvorbehalt gilt für solche Leistungen, welche zur Beherrschung und Behandlung gesundheitlicher Gefährdungen ärztliche Fachkenntnisse erfordern. Daher ist derzeit der Einsatz von Software, die diesen Arztvorbehalt umgeht, noch besonderen Modellvorhaben vorbehalten.
Hinzu kommt der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, welcher eines der wesentlichen Merkmale der ärztlichen Tätigkeit bildet. Diese ist vor allem durch einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt geprägt.
In Grenzen ist es dem Arzt zwar möglich, Leistungen zu delegieren. Jedoch muss der Arzt dann höchstpersönlich tätig werden, wenn die Schwierigkeit, Gefährlichkeit oder Unvorhersehbarkeit den Einsatz seiner spezifischen Fachkenntnisse erforderlich machen.
Auch das Vergütungssystem der Krankenkassen setzt eine ärztliche Leistung voraus. Kann eine erbrachte Behandlungsleistung vergütet werden, wenn nicht der Arzt, sondern eine künstlich intelligente Software bzw. ein KI-Roboter sie erbringt? Fällt diese Tätigkeit gegebenenfalls in den Bereich der delegierbaren Leistungen?
Für den Arzt oder das Krankenhaus wäre nichts gewonnen, wenn Diagnose und Therapie mittels KI durchgeführt würde, sie aber selbst von niemandem dafür bezahlt würden.
Auch Fragen der Haftung
Neben diesen Fragen stellt sich aus juristischer Sicht auch immer die Frage der Haftung beim Einsatz von künstlicher Intelligenz. Handelt es sich um einen Bedienungsfehler des Krankenhauspersonals oder ist es Organisationsverschulden des Krankenhauses, wenn jemand zu Schaden kommt?
Nach derzeitigem Stand der hierzu geführten politisch-juristischen Diskussionen soll die Verantwortung in erster Linie beim Menschen beziehungsweise dem Anwender bleiben und nicht beim Roboter oder bei dessen KI-Algorithmus respektive dessen Hersteller liegen.
Die technologische Entwicklung erfordert aber in jedem Falle eine Neuregelung von Haftungsfragen und Versicherungsmodellen. Besonders interessant wird es, wenn es um die Einhaltung ärztlicher Schweigepflicht bei KI-Anwendung geht.
In der Vergangenheit hat das strafrechtlich geschützte Berufsgeheimnis den Einsatz von Software-Lösungen, die Patientendaten an Dritte übermitteln konnten, erschwert.
Durch eine Neuregelung der strafrechtlichen Vorschriften können Ärzte und Krankenhäuser in einem zuvor nicht da gewesenen Umfang auf externe Dienstleister zurückgreifen. Dies dürfte sich auch auf die hier diskutierten Lösungen und Anwendungen positiv auswirken.
Wie bisher, müssen jedoch bei der Inanspruchnahme externer Dienstleister die bestehenden Voraussetzungen einer sogenannten Auftragsverarbeitung beachtet und entsprechende Verträge abgeschlossen werden.
Vertrauen in Arzt hat Einfluss auf Therapieerfolg
Die ärztliche Tätigkeit wird sich künftig verändern, das steht außer Frage. KI kann die ärztliche Tätigkeit in gewissen Bereichen unterstützen, aber nie den Arzt als "letzte Instanz" ersetzen.
Das Vertrauen in den behandelnden Arzt und die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Arzt und Patient dürfen in ihrem Einfluss auf den Therapieerfolg nicht unterschätzt werden. Gezielt eingesetzte KI kann infolge von Effizienzsteigerung vielmehr zu einer Entlastung der Ärzte führen.
Im Ergebnis könnte sich der Arzt dadurch bestenfalls für den einzelnen Patienten mehr Zeit nehmen. Dass KI nämlich jemals Empathie lernen und die zwischenmenschliche, besondere Vertrauensbeziehung ersetzen kann, glauben nur wenige.
Karolina Lange, LL.M (Medizinrecht), ist als Rechtsanwältin in der Düsseldorfer Kanzlei Taylor Wessing auf die regulatorische Beratung im Gesundheitswesen spezialisiert.
Jana Hammesfahr ist in derselben Kanzlei als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Gesundheitsrecht tätig.