Apple statt Windows
So gelingt der Umstieg
Auch bei Arztsoftware gibt es derzeit einige moderne Apple-Systeme. Ein Beispiel ist die noch junge Software tomedo. Doch was bewegt Ärzte zum Umstieg von Windows-Systemen? Ein Münchener HNO-Arzt plaudert aus dem Nähkästchen.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Seit Ende 2013 ist die auf Apple-Macintosh-Rechnern laufende Praxissoftware "tomedo" auf dem Markt. Ein Dreivierteljahr später konnte sein Anbieter, das Jenaer Softwarehaus zollsoft, die hundertste Installation in einer Arztpraxis feiern. Ein Zeichen dafür, dass auch in den Praxen Apple-Rechner beliebter werden?
Die Antwort mag nicht eindeutig ausfallen. Ein gutes Beispiel dafür, warum Ärzte auch im Praxisalltag auf Apple-Systeme umstellen, ist der Münchener HNO-Arzt Dr. Jochen Reichel.
Im Frühjahr 2014 stellte er von einer Windows-basierten Lösung auf Mac, iPad und Co um .
"Da ich für meine Patienten einen regelmäßigen Newsletter herausgebe, den ich auf dem Mac produziere, war ich von der Bedienungsfreundlichkeit des Apple-Systems schon vorher begeistert.
Deshalb fiel es nicht schwer, mich davon zu überzeugen, auch die Verwaltung der Praxis auf Apple-Geräte umzustellen", berichtet der in München-Bogenhausen praktizierende Arzt.
Tatsächlich ist das hier anzutreffende Szenario keine Ausnahme: Spätestens mit dem Siegeszug der iPhones und iPads des kalifornischen Herstellers nutzen viele Mediziner Apple-Produkte privat und schätzen neben ihrer Ästhetik vor allem deren einfache Bedienkonzepte. Damit steigt das Interesse, von diesen Vorteilen auch bei der Arbeit im medizinischen Alltag zu profitieren.
Aus für Windows XP gab den Anstoß
"Im Jahr 2009 hatten wir unsere Praxis von einem karteibasierten System auf papierlose Verwaltung umgestellt", berichtet Reichel. "Wirklich glücklich waren meine Mitarbeiter und ich mit der damals eingeführten Lösung allerdings nicht.
Zum Beispiel war die bisherige Lösung unnötig komplex, da sie mit zwei getrennten Datenbanken für die Patientendaten und die Befunde arbeitete."
Die Software tomedo
tomedo ist als Software seit Ende 2013 auf dem Markt. Das Praxisverwaltungssystem läuft mit Apples Betriebssystem OS 10.9.
Server: Der Anbieter, das Jenaer Softwarehaus zollsoft, empfiehlt Praxen einen Mac Mini Quad Core mit 8 GB RAM (Kostenpunkt um 800 Euro netto); bei Praxen mit nur ein bis vier Arbeitsplätzen könne der Server aber auch auf einem der Arbeitsplätze installiert werden.
Datenbank: Die tomedo-Datenbank sollte auf einem 4TB- Promise-RAID installiert werden, durch den Festplattenverbund (RAID steht für einen Verbund mehrerer unabhängiger Festplatten) kann die Datenbank selbst bei Ausfall einer Festplatte weiterlaufen (Kostenpunkt ca. 1000 Euro netto).
Aktueller Handlungsbedarf entstand durch die Einstellung der Unterstützung des Betriebssystems Window XP. "Wir hätten neben der Umstellung von Betriebssystem und Programmversion auch in einen neuen Server investieren müssen, wofür Kosten von rund 5000 Euro angefallen wären."
Auch "tomedo"-Anbieter zollsoft empfiehlt bei Installationen ab vier Rechnern in der Praxis den Einsatz eines Zentralrechners. Für diese Rolle genügt jedoch ein Mini-Server vom Typ "Mac mini", den Apple für rund 800 Euro anbietet.
Für die Arbeitsplätze von Ärzten und Medizinischen Fachangestellten werden in der Regel iMacs verwendet, die es von Apple ab etwa 1100 Euro gibt.
An Apple-Oberfläche angepasst
Reichel und sein Team nutzten aber zunächst die Möglichkeit, über die Demoversion das neue Programm zu testen. "Jeder Arzt hat in seiner Praxis einen anderen Workflow. Da ist es schon wichtig, erst mal auszuprobieren, ob eine Praxissoftware dazu passt.
Bei tomedo habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich das Programm flexibel an unterschiedliche Abläufe anpassen kann." Beim Testen der Demoversion gefiel dem Münchener HNO-Spezialisten vor allem das an die Apple-Standards angepasste Bedienkonzept.
"Erhalte ich von einem Kollegen wie etwa einem Kieferchirurgen per E-Mail Röntgenaufnahmen oder andere Bilder, lassen sich diese zum Beispiel einfach aus dem E-Mail-Programm in die geöffnete Patientenakte herüberziehen. Das ist im Alltag eine enorme Arbeitserleichterung", so Reichel.
Hinzu kommt die enge Integration der Software mit weiteren Apple-Produkten wie dem iPhone oder dem iPad. So lassen sich mit Smartphone oder Tablet zum Beispiel Fotos aufnehmen und über die auf den Mobilgeräten verfügbare tomedo-App direkt in die auf dem Mac geöffnete digitale Patientenakte übertragen.
Bei Hausbesuchen können Ärzte die erforderlichen Patientendaten auf Tablet oder Notebook mitnehmen, vor Ort darauf zugreifen und die Informationen nach Bedarf ergänzen.
Nach der Rückkehr in die Praxis werden die neuen Daten automatisch in die auf dem Server gespeicherten Patientenakten übernommen.
Andere Optionen für den Einsatz des iPad sind vom Patienten ausfüllbare Selbstauskunftsformulare oder in Kliniken Belegungspläne für Krankenzimmer und OP-Räume, wie der Software-Anbieter berichtet.
Skypen mit den Patienten
Reichel nutzt überdies gern die Möglichkeit, Einträge in die Patientenakte oder Anmerkungen zu Bildern per Spracheingabe zu diktieren.
"Versucht habe ich das auch schon früher, doch die Ergebnisse seinerzeit waren bescheiden. Im Vergleich zu Spracherkennungslösungen von vor ein paar Jahren ist die im Apple-System eingebaute Diktierfunktion sehr robust", so der Arzt. "Auch dies bringt im Praxisalltag deutliche Erleichterungen".
Ebenso nutzt der Reichel gern und häufig die von "tomedo" angebotene Option, mit seinen Patienten über die Internet-Telefonfunktion "Skype" zu telefonieren. "Mit einem Klick kann ich den Patienten anrufen und aktuelle Ergebnisse mit ihm besprechen."
Hinter der für die Benutzer einfachen und bequemen Bedienung steckt jedoch viel harte Arbeit.
"Die Einhaltung der Anforderungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung insbesondere für die Abrechnung und die Forderung nach einfacher Bedienung bedeutet für uns oft eine Gratwanderung", erklärt Johannes Zollmann, der gemeinsam mit seinem Bruder Dr. Andreas Zollmann die Geschäfte der zollsoft GmbH führt.
Unterstützt werden die beiden Informatiker dabei von einem Team aus weiteren IT-Spezialisten - derzeit neun Programmierer, vier Service-Experten, zwei Vertriebsmitarbeiter und zwei Studenten.
Mit dem Support ist zumindest HNO-Arzt Jochen Reichel mehr als zufrieden. "Den Wechsel habe ich - entgegen dem Rat mancher Kollegen - im laufenden Quartal vorgenommen. Dabei hat uns zollsoft umfangreich unterstützt und eingewiesen.
Auch die essenziell wichtige Datenübernahme von rund 25.000 Datensätzen aus der alten Software klappte problemlos." Dass die Übernahme allerdings zusätzliche Kosten verursachte, trifft bei dem Arzt durchaus auf Verständnis: "Zollsoft musste dazu selbst eine kostenpflichtige Software zukaufen - das ist für mich absolut nachvollziehbar."
Mietmodell statt Einmal-Investment
Für das nicht unwesentliche Thema Kosten hat der Jenaer Anbieter eine nach Meinung von Reichel gute Lösung gefunden: Die Software wird nach einem Mietmodell abgerechnet, das je nach eingesetztem Funktionsumfang (den gebuchten Programm-Modulen) und Anzahl der Rechnerarbeitsplätze ab rund 150 Euro pro Monat beginnt.
Im Vergleich zu einem Kaufpreismodell und den dann für Programmaktualisierungen anfallenden Zusatzkosten ist das Mietpreismodell laut Reichel fair. Die regelmäßige Programmpflege und Anpassung an veränderte KV-Vorschriften seien mit dem Mietpreis ebenfalls bereits abgedeckt.
Zollsoft wirbt damit, dass die Entwicklung seiner Software aus der Familie der beiden Firmengründer gewachsen ist.
Die Eltern der Brüder Zollmann sind beide praktizierende Ärzte: Vater Dr. Philipp Zollmann arbeitet mit sieben weiteren Fachärzten in Jena in einer chirurgischen Praxis mit OP und Bettenstationen.
Die Mutter Dr. Christine Zollmann ist Mitglied des zehn Fachärzte großen Teams der Venenpraxis Jena.