Schlangengift statt Schulmedizin
Vater wegen Misshandlung schuldig gesprochen
Ein Heiler verspricht ein Wunder: Er will ein HIV-infiziertes Kind nur mit Kobra-Gegengift heilen. Die Eltern entführen ihren Jungen aus der Klinik - er wird deswegen schwerstbehindert. Jetzt haben Richter den Vater verurteilt.
Veröffentlicht:
Mit dem Gegengift einer Kobra wollte ein Heiler das HI-Virus zerstören.
© ChilliProductions/ Fotolia
DÜSSELDORF. Der Kleine könnte ein gesunder Junge sein. Stattdessen ist der Sechsjährige schwerstbehindert. Er kann nicht sprechen, nicht essen und sitzt in einem Spezial-Rollstuhl.
Stattdessen hatten sie das Kind aus einer Klinik entführt und zu einem Wunderheiler gebracht. Am Dienstag verurteilte das Düsseldorfer Amtsgericht den Vater des Jungen deswegen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.
Bewährung trotz "schwerster Bedenken"
Weil der Alleinerziehende sich noch um zwei weitere Kinder kümmern muss, beließ es das Gericht trotz "schwerster Bedenken" bei der Bewährungsstrafe. Die Mutter ist flüchtig und wird nun mit Haftbefehl gesucht.
Der Vater hatte die Vorwürfe nach stundenlanger Beweisaufnahme eingeräumt. Er habe der Diagnose ebenso misstraut wie der Therapie in der Uni-Klinik. Den Hirnschaden des Kindes habe er auf einen Narkosefehler der Ärzte zurückgeführt.
Stattdessen trat ein Wunderheiler auf den Plan, der behauptete, das "Aids-Virus" mit Kobra-Gegengift in 24 Stunden zerstören zu können. "Wie kann man dem nur glauben, wenn man sich auch nur zehn Sekunden seine Webseite angeschaut hat?", fragte Staatsanwältin Laura de Bruyn.
"Diese Mischung aus Ignoranz und den fatalen Folgen für das Kind ist erschreckend." Die Ehefrau habe den Heiler wohl "als letzten Strohhalm" betrachtet, nach dem sie in ihrer Verzweiflung gegriffen habe, versucht Verteidiger Markus Wittke zu erklären.
Prozess gegen Heiler eingestellt
Das Verfahren gegen den Heiler ist inzwischen eingestellt, weil dieser für schuldunfähig erklärt wurde. Dass die Eltern des Jungen aus Westafrika stammen und dort nach wie vor wirre Ansichten über eine Aids-Erkrankung kursieren, ließ die Saatsanwältin als Entschuldigung nicht gelten.
Schließlich sei der Vater bereits seit 1993 in Deutschland. Die Ärzte hätten ihn zudem mehrfach aufgeklärt und eindringlich gewarnt, die Therapie abzubrechen.
Wenn man von der HIV-Infektion der Mutter gewusst hätte, wäre das Kind mit über 99 Prozent Wahrscheinlichkeit ohne HIV-Infektion zur Welt gekommen, sagte ein Kinderarzt der Düsseldorfer Uni-Klinik als Zeuge aus. (dpa)