61. DGAUM-Jahrestagung
Zum Betriebsarzt gehen? Im Zweifel vertrauen Arbeitnehmer eher dem Hausarzt
Hilft die Digitalisierung, mehr Beschäftigte in kleinen Unternehmen betriebsärztlich zu erreichen? Keine schlechte Idee, denn die Mitarbeiter gehen lieber zum Hausarzt. Doch auch für die digitale Lösung gibt es Widerstände.
Veröffentlicht:München/Jena. Seit Jahren gelten Mitarbeiter in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) als die Sorgenkinder in der betriebsärztlichen Betreuung. Meist gibt es für sie keine strukturierte Betreuung zum Beispiel durch entsprechende Dienstleister. Trotz aller Meldungen aus dem haus- und fachärztlichen Versorgungsbereich über die – coronabedingt – schlagartig gestiegene Akzeptanz telemedizinischer Formate wie die Videosprechstunde scheint der Funke hier vor allem bei Beschäftigten in KMU noch nicht wirklich übergesprungen zu sein.
Das jedenfalls legte Dr. Nadja Amler, bei der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) Projektmitarbeiterin Modellvorhaben „Gesund Arbeiten in Thüringen“ (GAiT), am Donnerstag bei der Vorstellung einzelner Ergebnisse im Rahmen der 61. Jahrestagung der DGAUM dar, die rein virtuell stattfand. Wie Amler betonte, biete der Ausbau telemedizinischer Strukturen insbesondere KMU eine Chance für eine bessere arbeitsmedizinische Betreuung der betroffenen Belegschaften.
Betriebsarzt – unbekanntes Wesen
Im Unterschied zu Betriebsärzten und Arbeitgebern scheinen jedoch gerade die Beschäftigten selbst restriktiver zu sein, was die Befürwortung des Einsatzes telemedizinischer Verfahren betrifft. Lediglich 20 Prozent der 531 befragten Arbeitnehmer bejahten die Frage, ob sie sich eine ergänzende arbeitsmedizinische Betreuung mittels telemedizinischer Verfahren vorstellen könnten. 16 Prozent sagten klipp und klar Nein zu der Option, aber mit 54 Prozent positionierte sich die Mehrheit ohne klare Präferenz. In Interviews bekam Amlers Team Antworten, wie „möchte meinen Gesundheitszustand weiterhin mit meinem Hausarzt besprechen.“
Das von der DGAUM und der Barmer initiierte GAiT-Modellvorhaben nach dem Präventionsgesetz, das vor allem die Verbesserung der kassenfinanzierten Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) und des von den Unternehmen zu finanzierenden Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) insbesondere für KMU in ländlichen und strukturschwächeren Regionen zum Ziel hat, konnte seit dem Start bereits 30 Firmen gewinnen. Die KMU sind in drei Netzwerken organisiert, mit dem Ziel, BGF in Verbindung mit der Arbeitsmedizin zu nutzen, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fördern.
Unterdessen scheint sich bei vielen Beschäftigten aber noch nicht herumgesprochen zu haben, was ein Betriebsarzt macht und wofür er eigentlich da ist – „Was soll der Betriebsarzt machen? Was tut er im Allgemeinen?“, so die Aussagen von Beschäftigten. Auch seien Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes geäußert worden. „Es gilt also, das Tätigkeitsfeld des Betriebsarztes bekannter zu machen“, so Amler. Belegschaften müssten somit auch teils erst einmal in Kenntnis davon gesetzt werden, dass jeder Unternehmer in Deutschland gesetzlich verpflichtet ist, seinen Beschäftigten eine betriebsärztliche Betreuung zu ermöglichen.
Kleinstbelegschaften eher offen
Im Rahmen des Modellvorhabens, das unter der Schirmherrschaft von Heike Werner, Thüringens Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, noch bis Ende dieses Jahres läuft, sollen künftig noch mehr Unternehmen von Angeboten zum Arbeits- und Gesundheitsschutz profitieren.
Die Netzwerk-Firmen können dabei zahlreiche, breit gefächerte Angebote nutzen, die sie vor allem im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes unterstützen. Hierzu zählen unter anderem die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung (§5 ArbSchG), die Unterstützung zur Implementierung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements oder eine betriebsärztliche Beratung. Zusätzlich werden Veranstaltungen und Workshops zu verschiedenen Themen angeboten sowie eine Kommunikationsplattform für den Austausch der Unternehmen.
Laut Amler sind die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung weitestgehend unabhängig von den soziodemografischen, arbeitsplatzbezogenen sowie unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen. Ein kleiner Effekt zeige sich lediglich im Zusammenhang mit der Betriebsgröße: Tendenziell befürworteten eher Mitarbeiter aus den Unternehmen mit einer äußerst geringen Anzahl an Beschäftigten den Einsatz telemedizinischer Verfahren. (maw)