Gesund mit Dreck und Kräutern

Heilmittel aus menschlichen und tierischen Exkrementen für alle möglichen Krankheiten propagierte der Hofmedicus und Universalgelehrte Christian Franz Paullini im 17. Jahrhundert. Seine "heilsame Dreckapotheke" war vor allem für die Armen und die Bauern bestimmt, die sich teure Arzneien nicht leisten konnten.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:
Gesund mit Dreck und Kräutern

© panthermedia.net

Ein wenig Dreck hat noch nie jemandem geschadet - an diesem alten Spruch scheint etwas dran zu sein. Erst kürzlich hat die große internationale ISAAC-Studie (Internationale Studie von Asthma und Allergien in der Kindheit) bestätigt, dass Kinder, die auch mal im Dreck spielen dürfen, seltener Allergien und Asthma haben als Kinder, die überwacht und keimarm aufwachsen.

Vor gut 300 Jahren ging man sogar noch weiter: Dreck in jeder Form galt als potentes Heilmittel. Der bekannteste Verfechter dieser Therapien war Christian Franz Paullini (1643 bis 1712), der 1697 das etwa 700 Seiten dicke Standardwerk veröffentlichte: "Die heilsame Dreckapotheke".

Sie enthielt die umfassendste Darstellung aller Kotrezepte der damaligen Zeit. Bis ins 19. Jahrhundert wurde dieses Werk mehrfach neu aufgelegt, der letzte komplette Nachdruck erfolgte 1847.

Exkremente von Mensch und Tier als Heilmittel

Viele Rezepte verwendeten menschliche und tierische Exkremente. Denn in den Exkrementen stecke eine "wundervolle Kraft", die sie zu einem "vollkommenen Heylmittel" mache, wird Paullini zitiert in der Magisterarbeit von Anne-Christin Lux aus dem Jahr 2005.

Am wirkungsvollsten sei der Kot des Menschen, so Paullini, der Leibarzt des Bischofs von Münster und Leib-Medicus am braunschweigischen Hof in Wolfenbüttel war. In vielen Rezepten verwendet er ihn oder auch "Asche von Menschenkot".

Besonders potent sei auch der eigene Urin - und das ist ja immer noch populär. Die Eigenurintherapie hat heutzutage viele Anhänger. Auch den Urin von Knaben, Schweiß oder Speichel preist Paullini als Heilmittel an.

Paullinis Lehrbuch (1697) propagierte die Dreck-Therapie.

Paullinis Lehrbuch (1697) propagierte die Dreck-Therapie.

© Herzog August Bibliothek

Aber er empfiehlt zum Beispiel auch Exkremente, Urin und Blut von Hunden, Tauben, Pferden, Schweinen, Pfauen oder Löwen. Andere Heilmittel bestanden aus verarbeiteten Tieren, etwa "Pulver von gebrandten Lerchen" Eidechsen, Schnecken oder Mäusen, sowie aus tierischen Organen wie "gedörrter Fuchslunge" oder Storchleber.

Außerdem finden sich eine Menge pflanzlicher und mineralischer Heilmittel in den Rezepten: Heilpflanzen wie Baldrian, Kamille oder Johanniskraut, Zubereitungen wie Rosmarinhonig oder Rosenzucker sowie Bergkristall, Silber, Gold oder Ziegelsteine. Auch auf "faule Äpfel" schwört der Hofarzt.

Schwerpunkt sind jedoch die Heilmittel aus Dreck und Kot. Paullini empfiehlt sie in allen erdenklichen Darreichungsformen: als Mixturen, Pulver, Pflaster und Salben, als Kataplasmen, Tränke und Pillen, als Klistiere, Bäder, Gurgelwasser und Inhalationen.

Scharlatan wegen Behandlungen mit Kot, Urin und anderen Ausscheidungen

Wegen seiner Behandlungen mit Kot, Urin und anderen unappetitlichen menschlichen und tierischen Ausscheidungen wurde Paullini von Medizinhistorikern des 19. Jahrhunderts als Scharlatan abgetan. Doch der aus Eisenach stammende, weit gereiste Arzt und Privatgelehrte war alles andere als ein Quacksalber.

Er war nicht nur Arzt, sondern auch Schriftsteller, Philosoph und Historiker, ja, er gilt als einer der letzten großen Universalgelehrten.

Man muss sein Werk aus der Zeit heraus verstehen. Paullini war ein ernsthaft arbeitender Arzt und Forscher. Seine Theorien fußten wie damals üblich auf der antiken Humoralpathologie, der so genannten Vier-Säfte-Lehre. Und er war nicht der einzige Arzt, der solch eigenartige Rezepte aus der Volksmedizin anpries. Er zitiere etwa 130 antike Autoritäten und Gelehrte seiner Zeit, heißt es bei Lux.

Nichts für "reiche, zärtliche und empfindliche Leute"

Dreck-Rezepte

Das empfahl die "heilsame Dreckapotheke":

Ein Pflaster aus Pferdekot wird bei Zahnschmerzen aufgelegt. Pulverisierter Kot eines Eichhörnchens hilft bei Schwindel. Falkenkot bei Sehschwäche. Noch warmer, frischer Urin eines frisch geschlachteten Hasen ins Ohr gegossen befreit von Taubheit.

Eine Arznei aus Hirsch- oder Hasenhoden hilft Männern, die an "erloschener Mannheit" leiden.

Doch der Hofmedicus war außerdem ein äußerst sozial denkender Mensch. Ärztliche Behandlungen und Arzneimittel waren seinerzeit sehr teuer, Arme und Bauern konnten sie sich nicht leisten. Deshalb war seine "heilsame Dreckapotheke" für "arme, insbesondere Bauern und Landleute", die "die Kräuter und allen Dreck täglich um sich haben", bestimmt, wie er im Nachwort bemerkt.

Bei "reichen, zärtlichen und empfindlichen Leuten" sei es nur im "äussersten Notfall" anzuwenden. Ansonsten sei die Dreckapotheke von großem Nutzen "für alle Stände, auf Reisen, in Lagern und anderswo, da nicht allemahl eine wohlangeordnete Apotheke einem nachgetragen wird".

Übrigens finden nicht nur wir Heutigen die Heilmittel der Dreckapotheke unappetitlich und ekelerregend. Paullini beschreibt selbst, welch enorme Überwindung es manche Patienten gekostet hat, seine Präparate zu nehmen.

Er gibt auch zu, dass gewisse Destillate "hefftig stincken". Durch geruchsverbessernde Stoffe und gute Verarbeitung könnten sie ihren üblen Geruch jedoch verlieren. Er rät aber, die Patienten zunächst über die Therapie im Dunkeln zu lassen.

Und Lux zitiert, was Paullini über ein Getränk aus Milch, Hundekot, Zucker und Kräutern schreibt: "Ist wohl nicht gar anmuthig, wann mans weiß, hat aber große Krafft, und ist offt probiert."

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