Ärzte fordern härtere Strafen

Täglich Gewaltakte in Arztpraxen

Erste Trends einer Ärztebefragung zeigen, dass es statistisch betrachtet täglich in etwa 75 Fällen von körperlicher Gewalt gegen niedergelassene Mediziner und ihre Praxisteams kommt.

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Körperliche Gewalt nimmt laut Auswertung zu, je kleiner eine Praxis ist. Nur jeder vierte Angriff wird auch angezeigt.

Körperliche Gewalt nimmt laut Auswertung zu, je kleiner eine Praxis ist. Nur jeder vierte Angriff wird auch angezeigt.

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ERFURT. Die Ärzte beklagen zunehmende Aggressionen in Praxen und fordern härtere Strafen. Der neue Straftatbestand zum Schutz von Feuerwehr, Polizisten und Rettern sollte daher auch für Gewalt gegen Mediziner gelten, erklärten die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der NAV-Virchow-Bund der niedergelassenen Ärzte am Dienstag.

Eine im vergangenen Jahr in Kraft getretene Strafgesetzbuch-Änderung (Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte § 114 StGB) sieht für Angriffe bis zu fünf Jahre Haft vor. Ärzte in Praxen und Kliniken sowie medizinisches Personal seien dabei nicht berücksichtigt worden.

Die beiden Verbände stellten dazu die erste Auswertung des Ärztemonitors mit insgesamt rund 11.000 niedergelassenen Medizinern vor, bei dem auch der Frage nachgegangen worden war, welche Rolle Gewalt im täglichen Behandlungsalltag spielt. Aus den bisher 7000 ausgewerteten Antworten geht nach Angaben der Ärzteverbände hervor, dass es pro Arbeitstag in deutschen Praxen etwa 75 Mal zu körperlicher Gewalt kommt. Jeder vierte vertragsärztlich tätige Arzt habe in seinem Berufsleben bereits Erfahrung damit gemacht.

Zu verbaler Gewalt kommt es offenbar noch häufiger: Bundesweit wird die Zahl der Fälle auf täglich 2870 geschätzt, vier von 10 Ärzten haben sie schon erlebt. Dabei scheint verbale Gewalt eher ein Problem größerer Praxen zu sein. Körperliche Gewalt nimmt laut Auswertung hingegen zu, je kleiner eine Praxis ist. Nur etwa jeder vierte tätliche Angriff wird von einem Arzt auch angezeigt.

Für die Zahlen sind Antworten auf die 145.000 niedergelassenen Ärzte in Deutschland hochgerechnet worden, hieß es zur Methode. Pro Jahr gibt es nach Ärzte-Angaben rund eine Milliarde Kontakte zwischen Ärzten und Patienten und mehr als 600 Millionen Behandlungsfälle in Praxen niedergelassener Mediziner.

Kassenärzte-Chef Andreas Gassen sagte, die Entwicklung sei bestürzend und sollte jene in Politik und Krankenkassen nachdenklich stimmen, die "populistisches Ärztebashing" betrieben. "Wer ständig einen kompletten Berufsstand verbal kriminalisiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn dies zur Gewalt in Praxen führt."

Ergänzende Korrektur am 17.5.2017, 14 h

Wegen eines Bezugsfehlers in der statistischen Auswertung korrigierten KBV und NAV-Virchow-Bund: Täglich komme es in deutschen Arztpraxen in 75 Fällen zu körperlicher Gewalt. Zuvor war in einer ersten Fassung von 288 Fällen die Rede. Die Anzahl verbaler Gewalt von täglich rund 2870 Fällen sowie die politischen Stellungnahmen und Forderungen von Seiten der KBV und des NAV-Virchwo-Bundes bleiben bestehen.

(run/dpa)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 10.05.201814:48 Uhr

§ 114 StGB und § 115 StGB schützen weder Ärzte noch Ersthelfer!

Bundesregierung und Parlamentsabgeordnete haben bei ihren Abstimmungen offensichtlich gezielt Ärztinnen und Ärzte bzw. ärztliches Begleit- und Assistenzpersonal als Rettungshelfer in ihrem beruflichen Alltag und im zentralen ärztlichen Notdienst im Stich lassen wollen.

Damit bleiben aber auch alle strafrechtlich zu unmittelbarer und zumutbarer Hilfeleistung verpflichteten Laien-Ersthelfer in jeglichen Notfall-Situationen den möglichen Angriffen Dritter ohne Strafrechtsandrohungen schutzlos ausgeliefert.

Völlig absurd: Beim strafrechtlichen und ideellen Schutz aller Helfer in Notsituationen lässt man sich verleugnen, fordert aber zugleich die Bestrafung der Bürgerinnen und Bürger bei unterlassener Hilfeleistung?

Aus dem verbesserten strafrechtlichen Schutz nach § 114 Strafgesetzbuch StGB (Regelung für Polizei- und Vollzugsbeamte) und dem eigentlich neuen Paragrafen § 115 StGB (Angriffe auf Rettungsdienste, Feuerwehr und andere Einsatzkräfte) werden m. E. verfassungswidrig ausgegrenzt:
– Ersthelfer (mit gesetzlicher Pflicht zur Hilfeleistung),
– Ärzte im organisier­ten ärztlichen Notfall- und Bereitschaftsdienst,
– Begleit- und Hilfspersonen im Notfall- und Bereitschaftsdienst,
– technische Helfer (Handwerk, Technik, Ver- und Entsorger)
– Hilfe-Leister bei Katastrophen, Unglücksfällen, Gefahren-/Notsituationen
– Pflege- und Logistik-Personal
– erst- und weiterbehandelnde Ärzte/Assistenz in Klinik und Praxis.

Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag haben sich mit diesem im April 2017 verabschiedeten Gesetzesbeschluss m.E. bis auf die Knochen blamiert!

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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