Lieber Genesungs- statt Glückwünsche

Die WHO wird 70 – und wirkt wie ein Dino

Das schleppende Krisenmanagement im Zuge des Ebola-Ausbruchs von 2013 in Westafrika haftet noch immer wie ein Makel an der WHO. Trotz innerer Reformen wächst die Kritik an ihrer Arbeit – und am Einfluss von "Philanthrokapitalisten".

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Ex-WHO-Generaldirektorin Dr. Margaret Chan und ihr Nachfolger Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus im Mai 2017 bei der Weltgesundheitsversammlung in Genf.

Ex-WHO-Generaldirektorin Dr. Margaret Chan und ihr Nachfolger Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus im Mai 2017 bei der Weltgesundheitsversammlung in Genf.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com

NEU-ISENBURG. Mit dem Weltgesundheitstag am Samstag (7. April) erinnert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an ihre Gründung vor 70 Jahren.

"Der Weltgesundheitstag bietet weltweit die Gelegenheit, gesundheitspolitische Schlüsselthemen in Angriff zu nehmen", heißt es bedeutungsschwanger auf der Website des WHO-Regionalbüros für Europa.

Zum Weltgesundheitstag 2018 appelliert die WHO nach eigenen Angaben an führende Politiker in aller Welt, konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung – Universal Health Coverage (UHC) – zu ergreifen.

Unter UHC wird dabei der ungehinderte Zugang für alle Menschen in einem Land zu qualitätsgesicherten Dienstleistungen im Gesundheitswesen verstanden.

Es müsse sichergestellt werden, so die WHO aktuell, dass alle Menschen überall hochwertige Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen könnten, ohne in finanzielle Not zu geraten.

Das ist ein hehres Ziel, denn auch in Europa können nach Aussage des Regionalbüros immer noch viele Menschen ihre Arztkosten nicht begleichen.

Budgetstruktur schränkt Selbstbestimmung ein

Mit dem Verweis auf die globale UHC-Dauerbaustelle versucht die WHO, weltweit große gesundheitspolitische Debatten auszulösen – und damit ein Stück weit von ihrer ureigenen Großbaustelle des defizitären Pandemiemanagements abzulenken.

Mit ihrem schleppenden Krisenmanagement im Zuge des Ebola-Ausbruchs von 2013 in Westafrika hatte sich die WHO in der breiten Öffentlichkeit einen schweren Kratzer am Image zugezogen.

Der Ebola-Ausbruch in Guinea, Liberia und Sierra Leone führte binnen zwei Jahren laut WHO zu 28.610 bestätigten Fällen und 11308 Todesopfern – unter anderem, weil die Organisation am Anfang des pandemischen Geschehens nicht schnell genug reagiert hatte.

Die WHO gestand Fehler im Krisenmanagement ein, und die damalige Generaldirektorin Dr. Margaret Chan stieß vor zwei Jahren auf der 69. Weltgesundheitsversammlung bereits erste Reformschritte an, die ihr Nachfolger, der ehemalige äthiopische Gesundheitsminister Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, nun fortführen will.

Als Vehikel dient dabei das WHO-Programm für gesundheitliche Notlagen, das im Haushalt 2018/19 mit insgesamt 554,2 Millionen US-Dollar budgetiert ist. Insgesamt ist das WHO-Budget für die beiden Jahre – der sogenannte "integrierte Programmhaushalt" – noch nicht einmal 4,5 Milliarden US-Dollar schwer.

"WHO hat viele ihrer Interessenskonflikte selbst geschaffen"

Mit ihren Haushalten und ihren Finanzierungssträngen zieht die WHO immer wieder heftige Kritik auf sich – zum Beispiel von der weltweit tätigen Hilfsorganisation medico international.

"Die Pflichtbeiträge der 194 Mitgliedsländer der WHO machen nur noch 20 Prozent des Jahresbudgets aus. Aufgrund ihrer ungesicherten Finanzierung gerät die WHO mehr und mehr in die Abhängigkeit von freiwilligen Zuwendungen. Dies ermöglicht es externen Akteuren, massiv Einfluss auf die Ausrichtung der WHO zu nehmen", erläutert Dr. Andreas Wulf, Gesundheitsexperte von medico international.

Die Organisation sieht die Gefahr, dass die WHO ihre Eigenständigkeit, ihre Legitimität und ihre Befähigung, weiterhin die führende Institution für globale Gesundheit zu bleiben, verlieren könnte.

"Die WHO hat viele ihrer Interessenkonflikte selbst geschaffen, indem sie die Türen für Pharma und Philanthrokapitalisten weit geöffnet hat, und versäumte, bei ihren Mitgliedsstaaten die Erhöhung der ungebundenen Beiträge einzufordern und damit die finanzielle Unabhängigkeit zu sichern", kritisiert die Hilfsorganisation auf ihrer Website.

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen ist Deutschland mit einem Anteil von 6,39 Prozent drittgrößter Pflichtbeitragszahler des ordentlichen Haushaltes hinter den USA und Japan.

Auf die Schlagkraft kommt es an

Die WHO ist sich durchaus der – inzwischen mehr als tragenden – Rolle der freiwilligen, aber größtenteils projektgebundenen Finanzspritzen von der Bill and Melinda Gates Foundation und anderen bewusst, die ihre Selbstbestimmung einschränkt.

"Das neue Finanzierungsmodell der Organisation zielt darauf ab, einen voll finanzierten integrierten Programmhaushalt zu haben, der realistisch ist und getrieben wird von den von den Mitgliedsstaaten konsentierten Prioritäten und erwarteten Output", heißt es im Programmhaushalt für 2018/19.

Mögen die WHO-Kritiker auch recht haben mit ihrem Vorwurf der zunehmenden Einflussnahme von dritter Seite auf die Sonderorganisation der Vereinten Nationen: Fernab intellektueller Debatten kommt es – vor allem im realen Pandemiegeschehen – auf die sofortige Schlagkraft an.

Ob sich die Reaktionsgeschwindigkeit mit den komplex anmutenden Strukturen des Programms für gesundheitliche Notlagen erhöhen lässt, wird sich bei der nächsten Bewährungsprobe zeigen.

Darüber hinaus ist es durchaus legitim, bei der Verfolgung der in den Statuten festgelegten und in der 1998 verabschiedeten Strategie "Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert" konkretisierten Ziele auch Dritte mit ins Boot zu nehmen.

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