EuGH-Urteil

Praxen und Kliniken müssen Arbeitszeit voll erfassen

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Eine teilweise Erfassung der Arbeitszeit gilt laut EuGH nur, "wenn die Dauer der Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der betreffenden Tätigkeit nicht gemessen und/oder vorgegeben wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann".

Eine teilweise Erfassung der Arbeitszeit gilt laut EuGH nur, "wenn die Dauer der Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der betreffenden Tätigkeit nicht gemessen und/oder vorgegeben wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann".

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LUXEMBURG/BERLIN. Krankenhäuser und Arztpraxen müssen wie alle anderen Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer komplett erfassen. Das urteilte am Dienstag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH).

Zu der Erfassung verpflichteten die Grundrechtecharta und die Arbeitszeitrichtlinie der EU. Die alleinige Erfassung von Überstunden reiche in der Regel nicht aus (Az: C-55/18).

Danach müssen alle EU-Staaten „ein System einrichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“. Zur Begründung verwiesen die Richter auf „das Grundrecht eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten“.

Zuverlässige Feststellbarkeit

Weil die Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis in der Regel „die schwächere Partei“ seien, müssten die EU-Staaten dafür sorgen, dass ihnen ihre Rechte auch tatsächlich zugutekommen. Ohne ein System zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit könnten aber weder die geleistete Arbeitszeit noch die Überstunden zuverlässig ermittelt werden.

Nur so sei auch zuverlässig feststellbar, ob die vorgeschriebenen Ruhe- und Höchstarbeitszeiten eingehalten werden. Der vom EU-Recht bezweckte Schutz für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer würde sonst gefährdet.

VmF: "Viele unbezahlte Überstunden"

Der Verband der medizinischen Fachberufe (VmF) begrüßte das Urteil. „Weil auch in den von uns vertretenen Berufen viele unbezahlte Überstunden geleistet werden“, sagte Ingrid Gerlach, zweite Vorsitzende beim VmF, am Dienstag der „Ärzte Zeitung“. „Wir sehen die Umsetzung jedoch als problematisch an.“

Zum einen nehme damit die Bürokratie in den Praxen weiter zu, zum anderen sei die Erfassung bei Home-Office-Tätigkeiten, die es in den Praxen durchaus gibt, fraglich.

Gerlach: „Klar ist aber, dass mit einer Zunahme der Personalkosten gerechnet werden muss, wenn die Arbeitgeber jede (Über-)Stunde bezahlen würden.“

MB ist erfreut

Auch der Marburger Bund (MB) bewertete die EuGH-Entscheidung positiv. „Das Urteil stärkt uns in den aktuellen Verhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern den Rücken“, sagte MB-Chef Rudolf Henke am Dienstag. Überschreitungen der Höchstarbeitszeitgrenzen seien in deutschen Kliniken „an der Tagesordnung“.

Der MB verhandelt seit Dezember mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über einen neuen Tarifvertrag für die rund 55.000 Ärzte an kommunalen Kliniken. Eine Forderung des MB ist eine automatisierte und manipulationsfreie Erfassung der Arbeitszeit. Die Verhandlungen sollen am 21. Mai in Berlin fortgesetzt werden.

Die „konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines „Systems“ zur Arbeitszeiterfassung sollen nun die einzelnen Mitgliedsstaaten festlegen. Dabei können sie die Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten und Größe der Unternehmen berücksichtigen.

Auch Ausnahmen sind danach zulässig, „wenn die Dauer der Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der betreffenden Tätigkeit nicht gemessen und/oder vorgegeben wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“. Die EU-rechtlichen Vorgaben dürften dadurch aber nicht unterlaufen werden.

Solange keine neuen gesetzlichen Vorgaben bestehen, müssen nun jeweils die nationalen Gerichte prüfen, ob sie das bislang geltende Recht entsprechend EU-konform auslegen können. (mwo/reh/nös)

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 15.05.2019 um 10:06 Uhr.

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