Bundesgerichtshof
Klinik haftet bei Arztfehler für seelisches Leid von Angehörigen
Menschen, die wegen des kritischen Gesundheitszustands eines nahen Angehörigen nach einem Behandlungsfehler psychisch erkranken, können Anspruch auf Schadenersatz haben.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. Die Folgen eines ärztlichen Behandlungsfehlers können für die Angehörigen des Patienten ein Schock sein. Ärzte und Kliniken müssen gegebenenfalls auch dafür geradestehen, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH).
Im Streitfall (Az.: VI ZR 299/17) hatte der Patient in einem Krankenhaus eine Koloskopie mit Polypektomie durchführen lassen. Am Folgetag wurde eine Darmperforation festgestellt, und es kam zu einer Peritonitis. Nach erfolgloser konservativer Therapie wurde sechs Tage nach der Koloskopie eine Laparotomie durchgeführt.
Ein Privatgutachter stellte Anfang 2014 fest, die Darmperforation sei zwar #8222;schicksalhaft#8220; gewesen; der Darm habe aber nicht in entzündetem Zustand übernäht werden dürfen. Ein Gutachter der Krankenkasse meinte, der Eingriff sei zu spät und unter Anwendung einer falschen Operationstechnik durchgeführt worden. Mit der Versicherung des Krankenhauses einigte sich der Mann auf eine Abfindung in Höhe von 90.000 Euro. Die Ehefrau des Patienten sah nach eigenen Angaben ihren Mann über Wochen in Lebensgefahr.
Trotz ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung leide sie bis heute an Schlafstörungen, ständiger Angst vor schlechten Nachrichten, rezidivierender Übelkeit und vor Krankenhäusern. Sie sei nicht mehr erwerbsfähig und könne auch ihren Haushalt nicht mehr eigenständig versorgen. Von dem Krankenhaus verlangt sie ein Schmerzensgeld, die Klinik lehnt dies jedoch ab. Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) Köln wiesen die Klage der Ehefrau ab. Die Entschädigung eines #8222;Schockschadens#8220; komme hier nur beim Tod eines nahen Angehörigen in Betracht.
Dem widersprach nun der BGH. Es gebe keinen Grund, hier schärfere Maßstäbe anzulegen als nach einem Unfall. Psychische Folgeschäden müssten danach deutlich über die beim Tod oder einer schweren Verletzung eines nahen Angehörigen üblichen psychischen Beeinträchtigungen hinausgehen.
Dies sei hier der Fall. Auch die erforderliche Nähe zwischen dem ursprünglich Geschädigten und dem Schockopfer sei zwischen Eheleuten gegeben. Wie bei Unfällen genüge daher eine #8222;hinreichende Gewissheit#8220;, dass die psychischen Schäden der Ehefrau auf die #8222;Verletzungshandlung#8220; gegenüber dem Patienten zurückgehen, urteilte der BGH. Dies soll nun das OLG Köln überprüfen. (mwo)