Burn-out
Deutsche gehen am häufigsten auf die Couch
Fast jeder fünfte Deutsche war bereits einmal wegen eines Burn-outs bei einem Psychiater oder Psychologen. Doch die Furcht vor Stigmatisierung ist hoch, so eine Studie.
Veröffentlicht:BAD VILBEL. Fast jeder fünfte Deutsche (19 Prozent) war bereits einmal wegen eines Burn-outs bei einem Psychiater oder Psychologen vorstellig geworden. Damit ist Deutschland Spitzenreiter in Europa. Nur Belgien (16 Prozent) und Spanien (15 Prozent) weisen ähnlich hohe Werte auf.
In Serbien, Polen und Russland hingegen waren nur jeweils vier bis sieben Prozent schon beim Psychiater – obwohl (oder weswegen) es hier die meisten Burn-out-Fälle gibt. Das geht aus dem entsprechenden, am Montag veröffentlichten Kapitel des Stada Gesundheitsreports 2019 hervor. Kantar Health befragte für die repräsentative Studie jeweils rund 2000 Menschen aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Serbien, Spanien und Großbritannien.
Der Gang zum Psychologen oder Psychiater scheint aber auch seine Kehrseite zu haben: Denn die Deutschen sagen im Ländervergleich auch am häufigsten, dass man für einen Besuch beim „Psycho-Doc“ abgestempelt werden würde. In der Bundesrepublik denken 15 Prozent so, in Italien und Spanien zum Beispiel nur sechs bzw. acht Prozent.
Nach Unternehmenseinschätzung entwickeln sich psychische Erkrankungen wie Burn-out mehr und mehr zu Volkskrankheiten. Zwei Drittel der Deutschen halten die steigenden Burn-out-Fälle demnach für ein echtes Alarmsignal. Ganz extrem: Die Hälfte der Bundesbürger hatte nach eigenem Bekunden selbst schon einen Burn-out, das Gefühl, kurz davor zu stehen, oder kennt die Symptome aus eigener Erfahrung.
Russen fühlen sich am häufigsten ausgebrannt
Wo in Europa ist Burn-out am weitesten verbreitet? In Osteuropa sagen die meisten, dass sie Burn-out-Symptome aus eigener Erfahrung kennen oder selbst schon einen Burn-out hatten. 72 Prozent der Russen, 66 Prozent der Serben und 62 Prozent der Polen hatten schon derartige Probleme.
Belgier, Briten, Spanier und Italiener sind ähnlich häufig betroffen wie Deutsche – zwischen 49 und 52 Prozent von ihnen hatten nach eigenen Aussagen selbst schon einen Burn-out, das Gefühl kurz davor zu stehen oder kennen die Symptome aus eigener Erfahrung. Am seltensten betroffen sind Franzosen mit 44 Prozent.
Jüngere trifft es häufiger als Ältere
Weitere Erkenntnis des aktuellen Gesundheitsreports: In Deutschland sind jüngere Menschen öfter von Burn-out geplagt als Ältere, das gilt insbesondere für 35- bis 49-Jährige. Also die Altersgruppe, die am häufigsten Kinder und Beruf unter einen Hut bringen muss.
15 Prozent von ihnen gibt an, schon einen Burn-out gehabt zu haben. Weitere 14 Prozent sagen, sie fühlen sich oft, als stünden sie kurz davor und 26 Prozent hatten schon das Gefühl von Burn-out-Symptomen. Außerdem seien Frauen in Deutschland tendenziell eher gefährdet als Männer, gingen gleichzeitig aber auch offener mit psychischen Problemen um.
Sie halten die steigenden Burn-out-Zahlen öfter für ein ernstes Alarmsignal (70 zu 63 Prozent) und sagen öfter, dass man sich für einen Besuch beim Psychiater natürlich nicht schämen müsse (53 zu 43 Prozent).
Geschiedene häufiger als Verheiratete auf der Couch
Beim genaueren Blick auf Deutschland zeigt sich, dass Geschiedene (25 Prozent) und Singles (23 Prozent) viel häufiger als Verheiratete (15 Prozent) zum Psychologen gehen. Das gilt auch für Geringverdiener: 30 Prozent der Menschen mit einem Nettoeinkommen von unter 1.500 Euro waren bereits beim „Psycho-Doc“.
Viele der Befragten halten die steigenden psychischen Krankheitsfälle auch für ein Problem der modernen Arbeitswelt. Besonders die Deutschen sehen Arbeitgeber in der Pflicht zur Gesundheitsprävention: 40 Prozent fordern Workshops zur Burn-out-Prävention (Europadurchschnitt 32 Prozent) und 55 Prozent möchten Überstunden fair ausgeglichen haben, um Stress zu verhindern (Europadurchschnitt 41 Prozent). (maw)