Drei Fragen an Professor Busse

„Eine Impfpflicht kann nicht die generelle Antwort sein“

Nachgefragt bei Professor Reinhard Busse, Schirmherr unserer Initiative „Gesundheitsvorsorge der Zukunft“.

Veröffentlicht:

Um die Masern-Impfquote zu erhöhen, soll es eine Impfpflicht für Kinder geben. Ist das verhältnismäßig?

Professor Reinhard Busse: Zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit gehören meines Erachtens mehrere Komponenten: Es soll ja nur um Kinder gehen, das heißt Personen, die sich nicht selbst gegen die Masernimpfung entschieden haben, sondern deren Eltern. Auch an anderer Stelle greift der Staat jedoch aus gutem Grund in die Rechte von Eltern ein, so zum Beispiel bei der Schulpflicht. Drittens kommt hinzu, dass die Masernimpfung wichtig für eine Herdenimmunität hat, das heißt positive externe Effekte auch auf Personen hat, die nicht geimpft werden können.

Generell haben wir niedrige Impfquoten. Welche Anreize sind vorstellbar?

Busse: Wie gerade erläutert, muss jede Impfpflicht sorgfältig abgewogen werden, kann also nicht die generelle Antwort für alle Impfungen mit niedrigen Impfquoten sein. Unsere Hauptprobleme bezüglich des Impfens sind ja zunächst ganz banal: Erstens wissen wir bei vielen Impfungen gar nicht, wer genau ausreichend geimpft wurde, das heißt in welcher Altersgruppe oder an welchem Wohnort. Und zweitens ist gar nicht klar, wer eigentlich zuständig ist. Das ist prioritär.

Wenn dann klar wäre, dass Kind X von Kinderarzt Y versorgt wird, müsste man auch über finanzielle Anreize sprechen, also Boni für die Kinder- und Hausärzte für das Erreichen bestimmter Impfquoten oder deren überdurchschnittliche Steigerung.

Ein 2018 veröffentlichter Cochrane-Bericht hat überzeugend gezeigt, dass die Impfraten sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen durch Erinnerungen signifikant erhöht werden können; die Studien mit über 135.000 Teilnehmern ergaben eine Steigerung um 28 Prozent relativ und acht Prozentpunkte absolut. Die Erstautorin, Julie Jacobson Vann von der University of North Carolina, kommentierte dies so: „Alle Arten von Erinnerungs- und Recall-Management sind wahrscheinlich wirksam. Telefonerinnerungen hatten die größte Wirkung. Auch kleine Wirkungen von Erinnerungen könnten, wenn man sie auf die ganze Bevölkerung überträgt, einen nützlichen Einfluss auf die öffentliche Gesundheit haben.“

Welche Rolle könnte oder sollte der Öffentliche Gesundheitsdienst in der Impfpolitik spielen?

Busse: Der ÖGD, und das Robert Koch-Institut an dessen Spitze, müsste zunächst einmal für das Herstellen von zeitnaher Transparenz über Impfquoten verantwortlich sein – die Daten dafür könnten sowohl von den Krankenkassen kommen als auch selbst gesammelt sein, etwa im Rahmen von Schuleingangsuntersuchungen. Auch sollte der ÖGD Betriebe und Schulen dabei unterstützen, Impfungen anzubieten, um die Schwelle für möglichst hohe Inanspruchnahmen abzusenken – gerade von Gesunden, die sonst nicht zum Arzt gehen.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Vielfach begabt: Jurist und Medizinstudent Felix Michl.

© Gesa Coordes

Porträt

Felix Michl: Unternehmer, Jurist und Medizinstudent