Prostatakrebs-Studien
Es kommt auf die Randomisierung an
Welche Behandlungsoption ist für Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom die optimale? Mit dieser Frage beschäftigen sich mehrere Studien. Dabei sind die schnellen Antworten nicht immer die besten.
Veröffentlicht:BERLIN. Es sei "Zeit für ein Umdenken" bei der Therapie von Niedrig-Risiko-Prostatakarzinomen, verkündete die Stiftung Männergesundheit Mitte April.
Die HAROW-Studie bestätigt laut Stiftung, dass die "Aktive Überwachung" (Active Surveillance) beim Niedrig-Risiko-Prostatakrebs nicht mit einem schlechteren Outcome einhergeht als invasive Verfahren wie die radikale Prostatektomie oder die Bestrahlung.
Doch ein genauer Blick auf das Studiendesign weckt Zweifel, ob die HAROW-Studie tatsächlich den Erkenntnisgewinn bringt, den die Initiatoren versprechen.
In die Studie wurden 3169 Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom eingeschlossen (wir berichteten). Von ihnen entschieden sich die meisten für eine Behandlung durch Bestrahlung, eine Hormontherapie oder eine Operation. 487 Patienten wählten dagegen die Option der "Aktiven Beobachtung".
Bei gut zwei Dritteln der Patienten (71,7 Prozent), die sich für die Aktive Beobachtung entschieden, sei im Beobachtungszeitraum von zwei Jahren keine invasive Therapie erforderlich geworden, heißt es in der Pressemitteilung zur Studie.
Da die große Mehrheit der Patienten mit einem Niedrig-Risiko-Karzinom noch immer sofort operiert werde, seien "viele Prostatakrebsoperationen, die in Deutschland durchgeführt werden, unnötig" - so die Schlussfolgerung.
Begleiterkrankungen berücksichtigen
Doch lässt eine Beobachtungsstudie wie HAROW eine solche Schlussfolgerung überhaupt zu? "Der entscheidende Schwachpunkt der Studie liegt in der fehlenden Randomisierung: Die Teilnehmer wurden nicht nach dem Zufallsprinzip einer der verschiedenen Behandlungsgruppen zugeordnet", sagt Peter Martus, Professor für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie an der Universität Tübingen.
So könne es sein, dass es Unterschiede zwischen den Gruppen gebe. Nicht auszuschließen sei zum Beispiel, dass Patienten mit Begleiterkrankungen von ihren behandelnden Ärzten bevorzugt in Richtung einer Prostatektomie beraten würden - oder dass jüngere Patienten sich vielleicht eher für die aktive Beobachtung entschieden.
"Genau solche Merkmale wie Alter und Begleiterkrankungen haben in der Regel auch Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung und den Erfolg der Behandlung", betont Martus. Daher bestehe die Gefahr, dass man in einer Beobachtungsstudie wie HAROW am Ende Äpfel und Birnen miteinander vergleiche - und daraus falsche Schlüsse ziehe.
Von begrenzter Aussagekraft ist die HAROW-Studie nach Ansicht von Experten auch aus einem anderen Grund: "Die Nachbeobachtungszeit für die registrierten Active Surveillance -Patienten ist mit 1,84 Jahren viel zu kurz, um überhaupt etwas zum Verlauf des Prostatakarzinoms aussagen zu können", kritisiert Prof. Dr. Oliver Hakenberg, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU).
Die Studie zeigt zwar, dass sich das Konzept des "Aktiven Beobachtens" im klinischen Alltag gut umsetzen lässt. Aber sie lässt keine seriösen Schlussfolgerungen darüber zu, bei welcher der verschiedenen Therapieoptionen am Ende tatsächlich die besseren Ergebnisse vorliegen.
Hier will eine andere Studie Licht ins Dunkel bringen: die Deutsche Prostatakrebs-Studie PREFERE. Hier wird erstmals in einer prospektiven randomisierten Studie untersucht, welche der vier nach der S3-Leitlinie empfohlenen Methoden in Bezug auf die Tumorheilung sowie unter Berücksichtigung möglicher Nebenwirkungen den anderen Behandlungsoptionen unterlegen ist.
Dabei werden auch die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten untersucht.
Auch die Nachbeobachtungszeit wird bei PREFERE wesentlich länger sein als bei HAROW: Die Patienten sollen über einen Zeitraum von mindestens 13 Jahren von ihren niedergelassenen Urologen sowie durch die Studienzentren nachbeobachtet und betreut werden.
"Eine Besonderheit der PREFERE-Studie ist, dass die Patienten bis zu zwei der vier Therapieoptionen für sich ausschließen können. Sie haben also die Möglichkeit, vor der Randomisierung ihre Präferenzen zu äußern", erklärt Studienleiter Prof. Thomas Wiegel, Strahlentherapeut am Universitätsklinikum Ulm.
Über 90 Kliniken machen mit
An der PREFERE-Studie können Männer teilnehmen, bei denen der Prostatakrebs kürzlich festgestellt worden und bei denen die Erkrankung noch nicht weit fortgeschritten ist (Gleason Score bis maximal 7a). Zudem darf noch keine Behandlung des Prostatakarzinoms stattgefunden haben.
Ein besonderer Vorteil für die teilnehmenden Patienten liegt in der Zweitbegutachtung des Prostata-Gewebes nach der Biopsie. "Sie liefert mehr Diagnosesicherheit und stellt sicher, dass der Patient tatsächlich für die Teilnahme an der Studie geeignet ist", so Wiegel.
Inzwischen ist die Studie erfolgreich angelaufen, über 90 Kliniken beteiligen sich als Studienzentren an PREFERE. Bis Ergebnisse vorliegen, wird es allerdings noch eine ganze Weile dauer, denn für die Initiatoren geht Qualität vor Schnelligkeit.
Finanziert wird die Studie von der Deutschen Krebshilfe und den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Getragen wird die Studie jedoch durch ein breites Bündnis von Organisationen und Institutionen des deutschen Gesundheitswesens.
So sind an PREFERE auch die Deutsche Gesellschaft für Urologie, die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie, der Berufsverband Deutscher Urologen, die Deutsche Krebsgesellschaft und der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe beteiligt.
Informationen zur PREFERE-Studie, Listen der teilnehmenden Urologen und Studienzentren sowie Patienteninformationen zum Download finden Sie unter www.prefere.de