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Interview zur Krebsfrüherkennung

Hautkrebs-Screening: Uns fehlt ein Einladungsverfahren

Die Dermatologin und Universitätsprofessorin Carola Berking über Möglichkeiten, Menschen zur Hautkrebsfrüherkennung zu motivieren und neue Methoden der Hautkrebstherapie.

Von Frank Brunner Veröffentlicht:
Professorin Carola Berking ist Direktorin der Hautklinik am Uniklinikum Erlangen und Zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft.

Professorin Carola Berking ist Direktorin der Hautklinik am Uniklinikum Erlangen und Zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft.

© Michael Rabenstein / Uniklinikum Erlangen

Frau Prof. Berking, laut einer AOK-Auswertung sind die Teilnehmerraten beim Hautkrebs-Screening noch immer leicht unter dem Niveau von 2019 – minus 2,8 Prozent. Woraus resultiert aus Ihrer Sicht die Zurückhaltung bei der Hautkrebsvorsorge?

Ich weiß nicht, ob das nur Zurückhaltung ist oder auch ein Mangel an Terminen. Mir sagen Menschen immer wieder: Wir bekommen kaum Termine beim Haus- oder Hautarzt.

Woran liegt das?

Vielleicht, weil Hautärzte andere Schwerpunkte haben, vielleicht, weil sie überlastet sind. Außerdem fehlt ein standardisiertes Einladungsverfahren wie wir es bei Brustkrebs kennen. In diesem Fall bekommen Frauen ab einem Alter von 50 Jahren regelmäßig und automatisiert Post. Teilweise schon mit Terminen bei der nächstgelegenen zertifizierten Einrichtung. Um ein Hautkrebs-Screening müssen sich die Menschen selbst kümmern.

Wenn es kaum Termine gibt, nützen automatisierte Einladungsschreiben wenig.

Das stimmt. Ich glaube aber, dass solche Schreiben die Raten dennoch erhöhen würden. So ist beispielsweise bekannt, dass Männer Vorsorgeuntersuchungen weniger in Anspruch nehmen als Frauen. Dabei ist die Häufigkeit an Hautkrebs zu erkranken und daran zu sterben bei ihnen erhöht.

Um ein Hautkrebs-Screening müssen sich die Menschen selbst kümmern.

Aus welchem Grund?

Eventuell verhalten sich Männer sorgloser. Hinzu kommt, dass Hautkrebs auch auf der Kopfhaut entsteht und Männer öfter eine Glatze haben als Frauen.

Welche weiteren Risikogruppen existieren?

Menschen mit Hauttyp eins und zwei, die kaum bis gar nicht braun werden, haben verhältnismäßig viel Hautkrebs – und zwar sowohl die helle als auch die schwarze Variante. Ein erhöhtes Risiko haben Menschen mit sehr vielen Muttermalen am Körper, also fünfzig oder mehr.

Dazu kommen Menschen mit starker UV-Exposition. Zum Beispiel Straßenbauarbeiter, Landwirte, Gärtner und Bademeister. Außerdem Patienten mit Immunsuppression. Wenn in der Familie bereits verstärkt Hautkrebsfälle aufgetreten sind, erhöht sich ebenfalls das Risiko. Zumindest diese Risikogruppen könnte man künftig zu Screenings einladen und das nicht nur alle zwei Jahre, sondern jährlich.

Abgesehen von Einladungsschreiben: Welche niedrigschwelligen Varianten gibt es noch, um die Rate bei den Screenings zu erhöhen?

Schon jetzt existieren Möglichkeiten, über Apps Risikofaktoren beurteilen zu lassen. Das heißt, über das Smartphone Fragen zu beantworten wie: Welcher Hauttyp bin ich? Habe ich mehr als 50 Muttermale? Hatte ich schon einmal Hautkrebs? Und so weiter. Die App generiert anschließend Hinweise, etwa einen Screeningtermin zu vereinbaren – oder eben auch nicht.

Wie beurteilen Sie telemedizinische Angebote?

Dabei gibt es ja zwei Möglichkeiten: Nummer eins ist, dass Menschen ihre Muttermale selbst fotografieren und entweder von einem Computer beurteilen lassen oder die Aufnahmen einem Arzt schicken. Das Problem dabei ist oft die schlechte Bildqualität. Außerdem fotografieren Patienten manchmal die falschen Flecken, nämlich jene, die sie selbst als auffällig einstufen. Möglicherweise ist aber der helle Fleck daneben das größere Problem.

Bei Möglichkeit zwei, einer Videosprechstunde, können Patienten zwar bestimmte Stellen dicht an die Kamera halten und Ärzte können Beurteilungen abgeben, aber mit genauen Diagnosen auf diesem Weg tue ich mich schwer.

In der von Ihnen geleiteten Hautklinik am Uniklinikum Erlangen gibt es einen 3D-Fotoscanner zur Früherkennung. Wie funktioniert das Gerät?

Sie können sich das wie einen Bodyscanner am Flughafen vorstellen: Die Patienten treten hinein, im Gegensatz zum Flughafen allerdings nackt oder in Unterhose. 92 Kameras fotografieren den Körper und eine Software erkennt, ob sich Pigmentflecken verändert haben. Das heißt: Alle Flecken werden dokumentiert und beispielsweise in Größe und Farbe mit Folgeaufnahmen verglichen.

Das System kann dementsprechend die Dynamik über einen längeren Zeitraum erfassen. Für Ärzte ist es dagegen schwierig, sich bei Patienten mit hunderten Flecken jene zu merken, die vor einem Jahr noch kleiner waren. Außerdem können wir die Aufnahmen digitalisieren und am Bildschirm stark vergrößern.

Das heißt, am Ende beurteilen weiterhin Sie und Ihre Kollegen die Haut?

Ja, aber künftig ist auch denkbar, dass KI-Assistenten die Aufnahmen durchschauen und auf auffällige Flecken hinweisen.

Wie viele dieser Scanner gibt es hierzulande?

Bislang vielleicht zehn. Die Geräte sind erstens sehr teuer und beanspruchen zweitens einen eigenen Raum. Selbst Hautärzten, die eine so große Investition erwägen, dürfte es in ihrer Praxis an Platz fehlen. Ein weiteres Problem sind die riesigen Datenmengen, die bei diesen Scans verarbeitet werden müssen.

Welche Formen von Hautkrebs sollten in spezialisierten Krebszentren behandelt werden?

Zunächst: Die Mehrheit der Hautkrebsfälle, also Patienten mit Vorstufen oder frühen Formen, können in Hautarztpraxen therapiert werden. Erst größere Tumoren ab Stadium zwei, sollten in spezialisierten Zentren behandelt werden.

Welche Anforderungen müssen Zentren zur Behandlung von Hautkrebs erfüllen, um von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert zu werden?

Die Anforderungen sind sehr hoch. Eine Voraussetzung sind interdisziplinäre Tumorboards, wo Dermatologen, Onkologen, Radiologen, Pathologen, Radioonkologen und Chirurgen zusammen die Fälle besprechen. Psychologische Unterstützung ist ebenfalls unabdingbar. Außerdem braucht es eine hohe Expertise in Strahlentherapie, medikamentöser Systemtherapie und chirurgischen Therapien.

In einem Beitrag erwähnten Sie kürzlich eine neue Therapiemethode – sogenannte Immun-Checkpoint-Blocker – die das Rückfallrisiko nach chirurgischer Entfernung der Tumoren verringern können. Wie funktionieren diese Blocker?

Das sind Immunmedikamente auf Antikörperbasis, die über eine Infusion gegeben werden. Sie unterstützen das Immunsystem, mögliche, noch im Körper befindliche Tumorzellen, aktiv zu bekämpfen. Das heißt, sie stimulieren die körpereigene Immunabwehr dahin gehend, dass der Tumor erkannt und bekämpft wird.

Diese Methode ist mittlerweile zugelassen für Patienten, die nach der bildgebenden Diagnostik keinen Tumor mehr haben, aber ein hohes Risiko, dass versteckte Tumorzellen noch im Körper schlummern. Nach einem Jahr mit Immun-Checkpoint-Blocker reduziert sich das Risiko eines Wiederauftretens des Tumors um etwa 50 Prozent.

Kombiniert man diese Blocker mit einer individualisierten, das heißt an die genetischen Veränderungen des Tumors eines Patienten angepasste mRNA-Impfung, sinkt das Risiko weiter. Diese mRNA-Therapie befindet sich derzeit in der Phase-3-Zulassungsstudie. Die bisherigen Ergebnisse sehen gut aus.

Vielen Dank für das Gespräch.

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