AOK-Analyse
Pillen-Rezept: Warum junge Frauen genauer hinschauen
Einer AOK-Analyse zufolge entscheiden sich immer mehr Mädchen und junge Frauen für Pillen mit geringerem Thromboserisiko. Verordnungen klassischer Wirkstoff-Varianten sind weiter rückläufig.
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Pille, ja oder nein? Immer mehr junge Frauen suchen nach Alternativen.
© Jochen Tack / AOK-Mediendienst
Der Anteil der gesetzlich versicherten Mädchen und Frauen, denen Gynäkologen kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) zur Verhütung verschreiben, ist seit Jahren rückläufig. Der Verordnungsanteil sank 2022 um vier Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Nur noch 28 Prozent entschieden sich für die Verhütung mit der Kombination aus den Hormonen Östrogen und Gestagen. Zum Vergleich: 2013 waren es noch 43 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Analyse der GKV-Verordnungsdaten, die dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) vorliegen.
Damit verliert die klassische Pille bei den 15- bis 22-Jährigen an Bedeutung. Patientinnen dieser Altersgruppe, die weiterhin mit der Pille verhüten, bevorzugen verstärkt risikoärmere Varianten. Entschieden sich im Jahr 2013 noch 65 Prozent für KOK-Präparate, waren es 2022 nur noch 48 Prozent. Die Pille wird für gesetzlich versicherte Mädchen und Frauen bis zum vollendeten 22. Lebensjahr von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Längst Thema in sozialen Medien
Dr. Eike Eymers, Ärztin im Stab Medizin des AOK-Bundesverbandes, sagt: „Dass eine hormonelle Verhütung auch Risiken hat, wird gerade in den sozialen Medien immer stärker thematisiert.“ Die Entscheidung für ein Verhütungsmittel bleibe aber eine ganz individuelle Entscheidung, die nur unter gründlicher Abwägung der Risiken und des Nutzens getroffen werden sollte. Dazu gehöre aber auch der Fakt, dass die Pille seit mehr als 60 Jahren als eines der wirksamsten Verhütungsmittel gilt, betont die Medizinerin.
Je nach Wirkstoffen und deren Kombination wird in Ein-, Zwei- oder Dreiphasen-Präparate unterschieden. Kombinierte hormonale Verhütungsmittel (KOK) wie die Pille enthalten immer zwei Arten von Hormonen: Östrogene und Gestagene. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 110 unterschiedliche KOK-Präparate verordnet. In Bezug auf Schwangerschaftsverhütung sind sämtliche Gestagene gleich wirksam. Als risikoärmer gelten kombinierte orale Kontrazeptiva, die unter anderem die Gestagene Levonorgestrel, Norethisteron und Norgestimat enthalten.
Frauen, die Kombinationspräparate nicht vertragen, können alternativ die Minipille nehmen, die ausschließlich Gestagen enthält. Der Verordnungsanteil der Minipille stieg von 0,85 Prozent im Jahr 2013 auf 2,78 Prozent im Jahr 2022.
Andere Verhütungsformen wie Vaginalring und Hormonpflaster machen einen Anteil von zwei Prozent aus. Dies entspricht einem geringen Anstieg von einem Prozent seit dem Jahr 2013. „Auch kontrazeptive Alternativen sind nicht risikolos“, sagt Dr. Eymers. Vaginalringe und Hormonpflaster sind ebenso Hormonkombinationspräparate mit einem erhöhten thromboembolischen Risiko. Sogenannte intrauterine Kontrazeptiva wie die hormonfreie Kupferspirale oder die Levonorgestrel-Spirale spielen bei den Anwenderinnen in der Altersgruppe zwischen 15 und 22 Jahren keine Rolle.
Mehr Schwangerschaftsabbrüche
Die Gynäkologin Dr. Cornelia Hösemann, Vorstandsmitglied im Berufsverband der Frauenärzte (BVF), erklärt, dass eine Schwangerschaft das Thromboserisiko im Vergleich zur Pille um ein Vielfaches erhöht (siehe Interview). Zudem könne eine ungewollte Schwangerschaft nachteilige Folgen für die psychische und physische Gesundheit haben, warnt die Frauenärztin.
Aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge, entschlossen sich im ersten Quartal 2023 rund 27.600 Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch. Das sind 6,8 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Bereits 2022 registrierten die Statistiker einen Anstieg (+4,8%) gegenüber 2021. Die große Mehrheit der Frauen (rund 70%), die im 1. Quartal 2023 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, waren zwischen 18 und 34 Jahre alt, nur drei Prozent waren jünger als 18 Jahre. Ursachen für diesen Trend lassen sich aus den Daten nicht ablesen.
Der Frauenärzteverband BVF weist in einer Pressemitteilung darauf hin, dass die Abbruchzahlen trotz insgesamt sinkender Geburtenraten steigen. Die Mediziner vermuten als Ursachen unter anderem „die aktuelle wirtschaftliche Lage“ oder „die Folgen des Krieges in der Ukraine“.