Weniger Bürokratie
Wie nützt Digitalisierung?
Noch ist es ein Wunschtraum: Zeit sparen durch Digitalisierung. Die KBV macht Vorschläge für nutzer- und nutzenorientierte Optionen. Die Hoffnung richtet sich jetzt auf ein Bürokratieabbaugesetz, das im BMG vorbereitet wird.
Veröffentlicht:Nach der Patientenversorgung absorbiert Bürokratie in den Praxen die meiste Zeit: 7,4 von 51,7 Wochenarbeitsstunden, das sind mehr als 14 Prozent. Das geht aus dem von infas repräsentativ erhobenen Praxis-Monitor der KBV hervor. Nach anderen Erhebungen, die jüngst bei der Krisensitzung der Vertragsärzte in Berlin genannt wurden, wenden Ärzte sogar ein Viertel ihrer Arbeitszeit für die Administration auf: 60 Arbeitstage jährlich.
Bürokratieabbau ist inzwischen zum politischen Mainstream geworden – und Programm der Bundesregierung, verbal zumindest. Nach der „Entökonomisierung“ ist die Entbürokratisierung die wohl am meisten verwendete Vokabel von Karl Lauterbach.
Und die Realität?
Im Januar hatte die KBV nach Aufforderung des Bundesjustizministeriums eine Reihe von Vorschlägen zum Bürokratieabbau übermittelt; sie betrafen vor allem den nutzenorientierten und zeitsparenden Einsatz neuer Digitaltechniken. Hunderte von Vorschlägen aus allen Bereichen der Wirtschaft hat das Statistische Bundesamt im Auftrag der Bundesregierung priorisiert – kein einziger Vorschlag der Ärzteschaft wurde dabei berücksichtigt.
Was Ärzte ärgert
Hyperkomplexe Abrechnung: Allein für Impfleistungen sind 69 verschiedene EBM-Ziffern vorgesehen – eine korrekte Abrechnung erfordert eine Extra-Schulung.
Reha-Anträge: Wollen Ärzte bei Krankenkassen für ihre Patienten eine medizinische Rehabilitation beantragen, müssen sie dafür zuvor einen Antrag auf ein Antragsformular stellen.
Arzneimittelregresse: Regressanträge auf der Basis der Überschreitung von Richtgrößen sind praktisch verschwunden, offenbar nimmt aber die Zahl der Anträge auf Einzelregresse durch einzelne Krankenkassen zu. Oft handelt es sich dabei um Bagatellbeträge. Würde die Bagatellgrenze von 30 auf 100 Euro angehoben, so argumentieren KVen, könnte die Zahl der Regressanträge um 50 Prozent vermindert werden.
Und nun?
Die KBV will nicht lockerlassen. Ihr im Nacken sitzen 17 KVen und die Basis der niedergelassenen Ärzte. Die Hoffnung richtet sich nun auf ein Entbürokratisierungsgesetz, das vom Bundesgesundheitsministerium vorbereitet wird. Basierend auf vorliegenden Vorschlägen nimmt die KBV darin erneut die Digitalisierung ins Visier und fordert konkret:
Digitalisierung muss Abläufe vereinfachen, verschlanken und Zeit sparen. Diesem Anspruch werden derzeit die eAU und das E-Rezept nicht gerecht. Parallelverfahren – digital und in Papier – sollen nur vorübergehend für kurze Zeit erlaubt sein. Digitale Lösungen müssen auf Vereinfachung und Zeitersparnis evaluiert werden, für Zeitfresser – etwa digitales Signieren – müssen alternative Lösungen gefunden werden.
Nutzenorientierung: Den größten Nutzen sieht die KBV derzeit bei digitaler Kommunikation zwischen den Gesundheitsberufen – unter den Praxen und mit Kliniken (Krankenhaus-Entlassbrief, Konsiliarbericht vor Psychotherapie). Die geplante Digitalisierung von Verordnungen – ab 2024 für häusliche Krankenpflege, ab 2025 für Soziotherapie – sei bei den oftmals wenig digitalaffinen Patientengruppen nicht zweckmäßig. Das Argument: Laut IGES-Umfrage geben 68 Prozent der Praxen an, einen hohen Nutzen in digitalen Klinik-Entlassbriefen zu sehen, nur zu 17 Prozent erfolge die Kommunikation, etwa zur Hälfte digital.
Ausreichende Erprobung: Das vom Normenkontrollrat vorgelegte Servicehandbuch zur Digitalisierung sieht eine nutzerorientierte Entwicklung in mehreren Phasen vor. Dieses Vorgehen sollte auch in der Medizin angewendet werden.
Als weitere Optionen zum Bürokratieabbau schlägt die KBV vor, auf AU- Bescheinigungen in Bagatellfällen – bis zu drei oder fünf Krankheitstagen – zu verzichten. Ärzte könnten sich dann stärker auf ernsthafte Erkrankungen konzentrieren. Ähnlich könnte die Bescheinigung bei Erkrankungen eines Kindes – derzeit notwendig ab dem ersten Tag – flexibilisiert werden. Der Effekt: Vor allem bei starken Infektionswellen könnten Ärzte, aber auch Eltern entlastet werden.
Erhebliches Potenzial sieht die KBV ferner in einer Verschlankung der Prozesse für die Kassenzulassung und die Genehmigung einer Anstellung von Ärzten.
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