Epilepsie

Auf das Patienten-Tagebuch ist kaum Verlass

Welchen Nutzen haben Tagebücher, in denen Epilepsie-Patienten ihr Anfallsgeschehen aufzeichnen? Auf der Neurowoche gab es dazu ein skeptisches Fazit.

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MÜNCHEN. Professor Christian Elger von der Klinik für Epileptologie der Universität Bonn stellte auf der Münchner Neurowoche klar, wie wackelig die empirische Basis ist, auf der manches Ergebnis epileptologischer Forschung und das Gros der Therapieentscheidungen stehen.

Der Titel von Elgers Einlassungen lautete: "Anfallserfassung durch den Patienten: Können wir uns auf Patiententagebücher verlassen?" Die Antwort, die der Bonner Epileptologe gab, war eindeutig: Nein, das können wir nicht!

Das Patienten-Tagebuch ist in der Epileptologie nicht irgendein Heft, mit dessen Hilfe man sich einen groben Überblick über den Krankheitsverlauf verschaffen will. Es handelt sich vielmehr um das zentrale Instrument der Therapiesteuerung.

Und in der Forschung können Tagebucheinträge über Anfallshäufigkeiten darüber entscheiden, ob ein neues Medikament als wirksam eingestuft wird und die Zulassungshürde überwindet. Elger fasste es so zusammen: "Das Anfalls-Tagebuch ist das Maß der Dinge in der Epileptologie."

Elger kann hier auf eine eigene Untersuchung verweisen, deren bittere Ergebnisse vor einigen Jahren publiziert worden sind (Arch Neurol 2007; 64: 1595-9).

Nicht nur Schlamperei und Nachlässigkeit

Hiernach blieben in einer mit Video-EEG-Monitoring überwachten Zeitspanne 55,5 Prozent der insgesamt 582 fokalen Anfälle von 91 erwachsenen Patienten im Tagebuch undokumentiert - 73,2 Prozent der komplex fokalen, 26,2 Prozent der einfach fokalen, 41,7 Prozent der sekundär generalisierten tonisch-klonischen, 85,5 Prozent aller nächtlichen und 32,0 Prozent aller Anfälle tagsüber.

Eine australische Studie aus dem vergangenen Jahr, in der kaum eine Korrelation von dokumentierten und objektivierten Anfällen festzustellen war, hat diese Ergebnisse bestätigt (Lancet Neurol 2013; 12: 563-71). Die Ursachen für die Fehlzahlen sind nicht einfach in Schlamperei und Nachlässigkeit der Patienten zu sehen.

Vielmehr führt etwa die postiktale Amnesie dazu, dass zu wenige Anfälle notiert werden - ein Umstand, der sich auch durch wiederholtes Auffordern der Patienten zur Dokumentation nicht beheben lässt.

Auch das Verkennen von Anfällen spielt herein - und manchmal auch der Wunsch des Patienten, seine Anfallsfreiheit zu dokumentieren, damit beispielsweise die Fahrtauglichkeit erhalten bleibt.

"Das Schlimmste ist: Der Fehler ist nicht systematisch", sagte Elger. "Damit haben wir ein großes Problem in allen unseren Studien." Der Erfolg einer Intervention in der Epileptologie sei danach in Wirklichkeit gerade einmal grob abschätzbar.

Seine Forderung: "Verlässliche Biomarker müssen ein primäres Ziel in der Epilepsieforschung sein." (rb)

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